: Gebührenzahler aus der Provinz
■ Entscheidung Schwerins für NORA fraglich/ SFB-Rundfunkrat besorgt über schleppende Verhandlungen
Schwerin/Berlin. Die Chancen für eine gemeinsame Nordostdeutsche Rundfunkanstalt (NORA) von Mecklenburg-Vorpommern, Berlin und Brandenburg haben sich am Montag sichtlich erneut verschlechtert. Die Fraktion Linke Liste/PDS im Schweriner Landtag machte in einer Presseerklärung deutlich, daß sie bei der entscheidenden Abstimmung im Schweriner Landtag nun doch gegen die von Ministerpräsident Alfred Gomolka (CDU) bevorzugte NORA-Lösung votieren könnte.
Schon im Kabinett hatte sich Ministerpräsident Alfred Gomolka (CDU) nur mit Unterstützung seiner Unionskollegen gegen die FDP durchsetzten können. Da die CDU im Landtag (mit einem Fraktionslosen) nur über 30 von 66 Stimmen verfügt, wäre der NOR bei einer geschlossenen Abstimmung der beiden Oppositionsparteien SPD und PDS/Linke Liste sowie der FDP gescheitert.
Mitglieder des Rundfunkrates des Sender Freies Berlin (SFB) übten Kritik an den sich hinschleppenden Verhandlungen über die Schaffung der NORA. In Schwerin sprach sich der Fraktionsvorsitzende der Linken Liste/PDS Mecklenburg-Vorpommern, Johann Scheringer, für ein Zusammengehen des Landes mit den Staatsvertragsländern des Norddeutschen Rundfunks (NDR) aus. Mit einem Votum der LL/PDS-Fraktion für den NDR würde bei der nur hauchdünnen Mehrheit der CDU-Fraktion im Landtag eine Entscheidung des Schweriner Parlaments zugunsten der NORA unwahrscheinlich.
Bereits zuvor hatten sich die Fraktionen der SPD und der FDP zugunsten einer NDR-Lösung ausgesprochen und angekündigt, dem NOR- Staatsvertrag nicht zuzustimmen.
Zur Begründung sagte Scheringer, die für seine Fraktion bisher als wesentlich hervorgehobene Drittel-Parität in einer NOR-Anstalt mit Berlin und Brandenburg sei unter den neuen Bedingungen mit Berlin als Bundeshauptstadt nicht mehr realisierbar. „Der Nordostdeutsche Rundfunk wird ein Hauptstadtsender“, betonte der PDS-Politiker. Zwangsläufig würde Berlin das Programm dominieren, und „wir in Mecklenburg-Vorpommern wären dann die Gebührenzahler der Provinz“. Die endgültige Entscheidung über die Rundfunkpartnerschaft Mecklenburg-Vorpommerns soll bei einer Sondersitzung des Landtags am 3. und 4. Juli fallen.
Auf einer Sitzung des SFB-Rundfunkrates am Montag in Berlin wurde mit Sorge registriert, daß sich die Rahmenbedingungen für einen NORA- Staatsvertrag laufend ändern würden. Die Vorsitzende des Gremiums, Gabriele Wiechatzek, beklagte, derzeit keine Kenntnis mehr über den aktuellen Stand der Verhandlungen zu besitzen. In einer Erklärung der IG Medien im SFB wurde am selben Tag ebenfalls Kritik am Stand der NORA-Verhandlungen geübt.
Unter anderem wurde eine angebliche Versagung von Mitbestimmungsrechten in den konzipierten NORA-Führungsgremien bemängelt. Außerdem hätten Regierungsvertreter zu starke Einflußmöglichkeiten, so daß auch programmpolitische Entscheidungen zum „Spielball“ von Regierungsinteressen werden könnten. dpa/taz
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen