Gebrochene Federn im AKW: Brokdorf wochenlang vom Netz
Wegen gebrochener Federn zieht die Betreiberin Eon die Revision des Atomkraftwerks vor. Dabei sollen alle Brennelemente im Reaktorkern überprüft und, falls nötig, ausgetauscht werden.
Das Atomkraftwerk Brokdorf wird noch einige Wochen länger abgeschaltet bleiben. Der Grund dafür sind gebrochene Federn, die an mehreren Brennelementen festgestellt wurden. Beim einem Fachgespräch am Dienstag einigten sich die schleswig-holsteinische Atomaufsicht und die Betreiberin Eon darauf, das Kraftwerk vollständig herunter zu fahren und die eigentlich für August geplante Jahresrevision vorzuziehen. Dabei sollen alle Brennelemente im Reaktorkern überprüft und, falls nötig, ausgetauscht werden.
Die Atomaufsicht habe immer den Standpunkt „Sicherheit vor Wirtschaftlichkeit“ vertreten, beteuerte der zuständige Justiz-Staatssekretär Michael Dölp. „Ich begrüße daher sehr, dass auch der Betreiber Eon Sicherheitsbelangen Vorrang vor etwaigen wirtschaftlichen Interessen eingeräumt hat.“
Die gebrochenen Niederhaltefedern sind an acht Brennelementen entdeckt worden, die im Zuge der Revision im vergangenen Jahr aus dem Reaktor genommen worden waren. Die Federn drücken von oben auf das Brennelement und verhindern, dass es sich durch Wärme ausdehnt. Brechen die Federn, hätte das nach Einschätzung von Eon keine sicherheitsrelevanten Folgen. Auf der internationalen Bewertungsskala für nukleare Ereignisse (Ines) sei der Bruch der Federn mit Null zu bewerten: ohne sicherheitstechnische Bedeutung.
Im Winter nach Tschernobyl - im Dezember 1986 - ist das Atomkraftwerk Brokdorf ans Netz gegangen. Bis Ende 2011 gab es dort 217 Ereignisse, die der Atomaufsicht gemeldet werden mussten.
Größe: Mit gut 1.400 Megawatt Nettoleistung ist es ungefähr doppelt so groß wie das benachbarte stillgelegte AKW Brunsbüttel.
Laufzeit: Spätestens im Jahr 2021 soll es endgültig abgeschaltet werden.
Eigentümer: Das AKW gehört zu 80 Prozent dem Eon-Konzern, der auch als Betreiber fungiert, und zu 20 Prozent Vattenfall.
Technik: Es handelt sich um einen Druckwasserreaktor, in dem der Dampfkreislauf, der die Turbine antreibt, vom Reaktor-Kreislauf getrennt ist. Das senkt das Risiko.
Reaktor: Darin stehen rund 100 Tonnen "Brennstoff" - 193 Brennelemente mit jeweils 236 Brennstäben. Reguliert wird das Ganze mit 61 Steuerstäben.
Eon trat Befürchtungen entgegen, ein Bruch der Federn könnte eine Schnellabschaltung des Kraftwerks verhindern. Es war spekuliert worden, die im Wasser stehenden Brennelemente könnten ohne den Druck der Federn Auftrieb erhalten, verkanten und die Steuerstäbe blockieren, die die Kernspaltung bremsen sollen. Blieben sie stecken, würde sich die Kernspaltung fortsetzen. Der Reaktor könnte sich überhitzen. Im schlimmsten Fall könnte es zu einer Kernschmelze kommen, bei der Radioaktivität in die Umwelt gelangt."Ob das durch den Bruch einzelner Federn hätte passieren können, wissen wir nicht", sagt Oliver Breuer von dem für die Atomaufsicht zuständigen Justizministerium.
Eon dagegen versichert, die Federn hätten keinen Einfluss auf die Schnellabschaltung. "Die Abschaltsicherheit ist durch die Steuerelemente gewährleistet", sagt Eon-Sprecherin Petra Uhlmann. Die Niederhaltefedern seien nur ein Teil eines mehrfach ausgelegten Systems, um die Brennelemente in Position zu halten. Berechnungen hätten ergeben, dass die Brennelemente auch dann nicht aufschwimmen würden, wenn sämtliche Federn gebrochen wären. Schon ihr Eigengewicht halte sie unten.
Allerdings befinden sich Brennelemente aus der Produktionsscharge mit den kaputten Federn im Reaktor. Um festzustellen, ob darunter noch weitere mit gebrochenen Federn sind, wird das AKW herunter gefahren und der Reaktordruckbehälter geöffnet. Da das bei einer Revision ohnehin gemacht werden muss, zieht Eon diese vor. „Die haben sich zuerst geziert“, sagt Karsten Hinrichsen von der Bürgerinitiative Brokdorf-akut. „Wir sind sehr froh, dass sie nun doch den Deckel aufmachen.“
Hinrichsen erinnert daran, dass die gebrochenen Federn nicht das erste Problem mit den Brennelementen in Brokdorf sind. Der Fehler sei überhaupt nur entdeckt worden, weil bei der Revision im vergangenen Jahr Brennelemente mit defekten Abstandshaltern entdeckt und aus dem Reaktor genommen wurden. Auch dadurch hätte es Probleme bei einer Schnellabschaltung des Reaktors geben können.
„In dieser Betriebsperiode haben sie nicht so viel Freude an dem AKW“, stellt Hinrichsen fest. Ebenfalls im vergangenen Sommer fiel einer der beiden Transformatoren des Kraftwerks aus. Brokdorf musst vom Netz gehen, damit der zweite Transformator auf mögliche Schäden untersucht werden konnte. Bis ein zweiter Transformator beschafft werden konnte, durfte die Anlage danach nur mit maximal halber Leistung betrieben werden.
Obwohl das Kraftwerk jetzt ganz ausgefallen ist, hat es nach Angaben des Netzbetreibers Tennet noch keine Versorgungsprobleme gegeben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Warnstreiks bei VW
Der Vorstand ist schuld
Die HTS in Syrien
Vom Islamismus zur führenden Rebellengruppe