Gebrauchsanweisung neue Grenzkontrollen: Hilfe, die Zöllner kommen!
Dänemark beginnt heute mit den verstärkten Grenzkontrollen - ein Zugeständnis an die Populisten im Parlament. Was erwartet Reisende? Antworten auf wichtige Fragen.
Wie sehen die neuen Kontrollen aus?
Ab Dienstag gibt es 50 zusätzliche Zöllner, die an die Grenzen geschickt werden. 30 von ihnen werden an die Landgrenze nach Deutschland geschickt, zehn zu den Fährhäfen in Rødbyhavn und Gedser, wo Schiffe aus Deutschland anlegen. Sie sollen an den Grenzen strichprobenartig und auf der Grundlage von "Risikoprofilen" Menschen herauswinken. Es werden nicht alle Autos, Menschen und Waren kontrolliert, verspricht die dänische Regierung.
Ferien und Grenzkontrollen - das bedeutete früher immer: Stau. Und heute?
Die dänische Regierung verspricht fließenden Verkehr, weil nicht alle kontrolliert werden. Die Praxis wird es zeigen.
Muss ich meinen Pass einpacken?
Nein. Ein Personalausweis reicht weiterhin völlig aus.
Als Reaktion auf die beginnenden verstärkten Grenzkontrollen forderte Hessens Europaminister Jörg-Uwe Hahn (FDP) einen Urlaubs-Boykott. "Wenn Dänemark zur Urlaubszeit wieder Grenzkontrollen einführt, kann ich nur dazu raten, auf der Stelle umzudrehen und lieber in Österreich oder Polen Urlaub zu machen", sagte Hahn der Bild-Zeitung. (dpa)
Was darf ich eigentlich mitnehmen, ohne mit dem Zoll Ärger zu kriegen?
Menschen aus EU-Staaten dürfen Waren für den persönlichen Bedarf mitnehmen. Klare Begrenzungen gibt es bei Alkohol und Zigaretten. So dürfen etwa 800 Zigaretten, ein Kilogramm Tabak, zehn Liter Schnaps, zehn Liter Alkopops, 90 Liter Wein und 110 Liter Bier über die Grenze gebracht werden, ohne dass die Waren nachversteuert werden müssen. Das dänische Waffengesetz ist erheblich strenger als das deutsche. Viele Gegenstände, die hier freigegeben sind, erfordern in Dänemark Genehmigungen oder sind verboten. Die Einfuhr ist ohne Genehmigung nicht erlaubt.
Warum das Ganze?
Die Maßnahme ist ein Zugeständnis an die rechtspopulistische Dänische Volkspartei. Sie stützt die dänische Minderheitsregierung. Die verschärften Grenzkontrollen waren der Preis für ihre Zustimmung zum Haushalt der Regierung. Die offizielle Begründung ist der Kampf gegen grenzüberschreitende Kriminalität und illegale Einwanderung. Die Grenzen sollen bald permanent besetzt sein. Vertreter der Volkspartei geben aber auch zu: Es geht auch um das Symbol. Weniger internationale Zusammenarbeit, mehr Nationalstaat.
Was sind die Alternativen?
Bisher kontrollieren die Polizei und der Zoll stichprobenartig an der Grenze, sind aber vor allem im Grenzhinterland aktiv bei der Kontrolle. Es gibt keine Beschwerden von Sicherheitsorganen, dass das nicht ausreicht.
Warum zum Ferienbeginn?
Die Dänische Volkspartei wollte eine schnellstmögliche Einführung der Kontrollen.
Wie wahrscheinlich ist es, kontrolliert zu werden?
Es kommt darauf an, ob man in das Risikoprofil der Dänen passt. In ihrem Brief an die EU schreibt die dänische Regierung von Gefahren von Banden aus dem Westbalkan, Südosteuropa und der ehemaligen Sowjetunion. Die Dänische Volkspartei schürt eine Angst vor osteuropäischen Banden. Es ist also wahrscheinlich, dass Fahrzeuge, die aus diesem Bereich kommen und Menschen, die so aussehen, als ob sie daher kommen, verstärkt kontrolliert werden. Im gleichen Brief schreiben die Dänen, dass sie zwischen einem und vier Promille des Verkehrs kontrollieren.
Was kommt da noch?
Die Aktion morgen ist erst der Auftakt. Das Ziel der Maßnahmen: permanente Kontrollen an den Grenzen. Dafür werden zum Jahreswechsel 48 weitere Zöllner zu losgeschickt. Ab 2014 sollen dann auch Zöllnerhäuschen an den Grenzübergängen wieder aufgebaut werden. Darüber hinaus soll es eine Videoüberwachung des einreisenden Grenzverkehrs geben: stationär an der A 7-Grenze bei Ellund und mobil an den kleineren Übergängen. Dann sollen alle Einreisenden aufgezeichnet werden, die Kennzeichen der Autos eingescannt werden und mit einer Datenbank abgeglichen, die dann gegebenenfalls Alarm bei der Polizei auslöst. Bisher wird die Technik dafür allerdings noch entwickelt, die genauen Kriterien, wann Meldungen an die Sicherheitskräfte geschickt werden, sind noch nicht verfasst.
Tut denn jemand was dagegen?
Die Europäische Kommission prüft das Vorhaben. Sie könnte dagegen klagen, wenn sie glaubt, dass europäische Verträge verletzt wurden. Falls sie das nicht tut, haben Pendler schon angekündigt, gegen die Vorhaben zu prozessieren. Vor einer Woche hat die dänische Regierung auf einen Fragebogen der Kommission zu dem Vorhaben geantwortet. Die deutsche Politik verurteilt das Vorgehen, die dänische Opposition will die Maßnahmen rückgängig machen. Die nächsten Wahlen sind spätestens im Herbst dieses Jahres.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid