Gaza: Sieg für Hamas
Die Hamas erobert das Hauptquartier des Fatah-loyalen Geheimdienstes. Danach erklärt sie den Gaza-Streifen für "befreit". In sechstägigen Kämpfen starben 80 Palästinenser.
AUS JERUSALEM
SUSANNE KNAUL
Die Kämpfe in Gaza sind noch nicht vorbei, doch der Sieger steht fest. Die Hamas hisste ihre grünen Flaggen auf dem Hauptquartier des "Präventiven Sicherheitsdienstes", der zentralen Institution des palästinensischen Sicherheitsapparates im Gaza-Streifen. Nach Berichten von Augenzeugen hat die Hamas außerdem die Kontrolle über die Stadt Rafah übernommen. Kämpfer der radikalislamischen Organisation hätten am Donnerstag den Ort im südlichen Gaza-Streifen eingenommen und damit ihren Siegeszug im Bürgerkrieg gegen die gemäßigtere Fatah fortgesetzt.
Die Fatah bereitet sich unterdessen auf die Fortsetzung des Machtkampfes mit der Hamas vor - dieser wird im Westjordanland ausgetragen werden. 1.500 Namen umfasst bisher die Liste der Hamas-Mitglieder, die seit Donnerstag früh schrittweise festgenommen werden, darunter Bürgermeister, Akademiker und religiöse Funktionsträger.
Palästinenserpräsident Mahmud Abbas berief am Mittag führende Funktionäre der PLO zu sich, die ihn dazu autorisierten, die Koalition aufzukündigen und den Notstand im Gaza-Streifen auszurufen. Am Nachmittag erklärte der palästinensische Informationsminister Mustafa Barghuti dann überraschend, beide Seiten seien bereit, an einem von Ägypten vermittelten Treffen teilzunehmen. Die Hamas will offenbar an der Nationalen Einheitsregierung festhalten, allerdings mit einem von ihr gestellten Innenminister, der die Kontrolle über alle Sicherheitsdienste hätte. Sollte es keine Einigung geben, ist eine Zweiteilung der Palästinensergebiete absehbar.
Erst um 12 Uhr mittags hatte Abbas den Angehörigen des Präventiven Sicherheitsdienstes das Kommando gegeben, gegen die Angreifer der Hamas vorzugehen. Doch schon zwei Stunden später hatten diese die Zentrale unter Kontrolle, führten ihre Gegner mit verbundenen Augen und zum Teil nur mit Unterwäsche bekleidet ab. Augenzeugenberichten zufolge wurden mehrere Männer auf offener Straße hingerichtet. Der Hamas-Sprecher nannte den Sieg die "zweite Befreiung des Gaza-Streifens" - nach der ersten: dem israelischen Abzug im Sommer 2005.
Beide Konfliktparteien spielten in den letzten Tagen ein doppeltes Spiel. Noch kurz vor der Schlacht um das Sicherheitshauptquartier hatten sowohl Abbas als auch Premierminister Ismael Hanijeh von der Hamas die Truppen zur Feuerpause aufgerufen. Später kam über Rundfunk die Anweisung an die Fatah-Kämpfer, sich auf keinen Fall zu ergeben. "Wir werden kämpfen bis zum letzten Blutstropfen", meinte ein Kommandant, während die Hamas von "hunderten Fatah-Leuten" berichtete, die sich auf der Flucht befänden.
Am Mittwoch hatte die Hamas ein Ultimatum an die Fatah-Kämpfer gestellt, bis Freitagnachmittag ihre Waffen abzugeben. Die letzte Hochburg war das Hauptquartier des Nationalen Sicherheitsdienstes.
Die Übernahme des palästinensischen Geheimdienstes, der jahrelang dem Ex-Sicherheitschef Mohammed Dahlan, einem engen Verbündeten von Abbas, unterstand, hat große symbolische Bedeutung. Die meisten Verhöre und Folterungen von Hamas-Extremisten fanden in dem Hauptquartier statt. Der Stadtteil Tel al-Hawa, in dem die Station liegt, wurde kurzerhand in Tel al-Islam umbenannt. Die Hamas will in dem Gebäude ein Zentrum für religiöse Studien errichten. Einer der Kämpfer sprach von der "Grundsteinlegung für einen islamischen Staat".
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