piwik no script img

wortwechselGaza: Der vollständigeVerrat des Völkerrechts

„Tödliche Abstumpfung“. Dieser Kommentar unseres Nahostkorrespondenten Karim El-Gawhari zur Lage in Gaza hat sehr viele Kommentare und Briefe ausgelöst. Ein Ausschnitt

28. Juli 2025: Rauch über Gaza, fotografiert von der israelischen Seite der Grenze Foto: Amir Cohen/reuters

„Normalisierung von Israels Gewalt in Gaza: Tödliche Abstumpfung“,

taz vom 22. 7. 25

Die Lage ist katastrophal!

Wir sind sehr weit gekommen – so weit, dass eine Forderung nach Einhaltung der Menschenrechte und des Völkerrechtes von einigen scheinbar als „extreme Position“ gesehen wird. taz Forum

Aus der Zivilbevölkerung heraus haben wir auf change.org eine Petition gestartet, die zu konkretem politischen Handeln aufruft: Gaza braucht mehr als Worte!

Elisa Arendt, Idar-Oberstein

Kriegsverbrechen sind eben das: Verbrechen. Doch es gehört auch zu den Tatsachen, dass die Gesellschaft sowohl von den Nachrichten aus der Ukraine als auch aus dem Nahen Osten genervt ist. Man will seine Ruhe haben, Elend, Blut und Gewalt einfach verdrängen. Und die Politik verhält sich genauso. Eine faire und mutige Behandlung derartiger Geschehnisse ist lästig und stört den Ablauf hierzulande. Mit einem Wort: das alles ist Bigotterie! Wir machen es uns bequem und schauen weg. taz Forum

Aber welche Mittel hat man, außer reden, demonstrieren, Artikel teilen und kommentieren, Petitionen unterschreiben? Wenn ich dann die Nachrichten schaue, dann wird zwar über das Leid berichtet, aber kein Ton darüber verloren, dass Deutschland weiter Waffen liefert, keinerlei Sanktionen verhängt und im Übrigen auch keinen Respekt vor dem IStGH hat. taz Forum

Etwas Hoffnung geben Printmedien außerhalb des deutschen Sprachraums: Selbst CNN, BBC & Sky News zeigen nun – nach 2 Jahren Weigerung! – Bilder von den an Unterernährung gestorbenen Babys und Kleinkindern, von im Schutt ihrer Häuser begrabenen Opfern der israelischen Armee oder die Röntgenbilder von Schusswunden in Kinderschädeln. Sie berichten von gezielten Schüssen in die Genitalien von Kindern durch IDF-Sniper. taz Forum

Deutschlands Spagat zwischen einer nicht vermittelbaren Staatsräson von Bundespolitik/Medienschaffenden und der Realität ist der Grund, warum Sie die Leute nicht erreichen. Die Leute sind nicht abgestumpft, sondern eingelullt und schlecht informiert. taz Forum

Wir hören im Radio und TV immer und immer wieder von „Eskalation“ und „Zuspitzung“ und von der Sorge, dass das alles geschieht. Aber die Lage ist ja schon katastrophal! Das, was sich in Gaza täglich abspielt, ist schon nicht mehr auszuhalten und keinem Menschen zuzumuten!

Die verwendete Sprache ist hier untauglich und verschleiernd. Die Meldungen werden in aller Regel für sich gesendet, kein Bezug zu vorangegangenen Ereignissen. Der wievielte Zwischenfall war das nun bei der Essensverteilung, die wievielte tote Journalistin? Wie viele Tote bei Angriffen auf Rettungstransporten insgesamt? taz Forum

Was tun? Auf die Straße!

Es ist an Deutschland, Netanjahu einzuladen – und in Den Haag abzuliefern.

taz Forum

Die Diagnose des taz-Kommentars ist schon richtig – aber was wäre die Therapie? Was tun! Auf die Straße gehen und zeigen, dass man nicht einverstanden ist mit dem Ignorieren und dem Aussitzen! taz Forum

Gegen verbale Kritik ist die aktuelle israelische Regierung komplett immun. Sanktionen, nicht nur gegen Israel, sondern auch gegen Länder, die weiterhin Waffen an eine Kriegspartei schicken, gegen die erdrückenden Beweise für genozidale Kriegsführung vorliegen, würden womöglich auch Deutschland zum Umdenken bewegen. taz Forum

Länder wie UK, Kanada, Australien, Spanien oder Norwegen haben schon Einzelmaßnahmen getroffen. taz Forum

Das Statement dieser Länder war eindeutig.: „Ende des Gaza Krieges, freier Zugang zu Nahrungsmitteln, Ende der Siedlergewalt, Ablassen von den Umsiedlungsplänen und Freilassung der Geiseln.“ Das sind gute Ziele, denen kann ich zustimmen. Es gibt aber, vor allem aus jüdisch-israelischer Sicht, noch einen Punkt: Schutz und Sicherheit vor den Gewalttaten der Hamas. Und da sind wir schon wieder mitten in den Schwierigkeiten des Nahost-Konflikts. taz Forum

Der Kommentar beschreibt treffend das Dilemma des Journalismus bei lang anhaltenden Krisen. Dennoch fällt auf, dass das mediale Trommelfeuer zu Gaza in einem merkwürdigen Missverhältnis zu der oft rudimentären Berichterstattung über andere dramatische Konflikte steht: etwa im Südsudan, Kongo, Jemen oder Tigray. Auch der Krieg in der Ukraine erscheint für viele bereits als Hintergrundrauschen – trotz Tausender Opfer.

Während Gaza häufig im Fokus steht, bleiben andere menschliche Tragödien oft Randnotizen. Der Journalismus selbst und seine Aufmerksamkeitsdynamik tragen dazu bei, dass Leid selektiv sichtbar wird oder unsichtbar bleibt. taz Forum

Irgendwann macht der Schock der Taubheit Platz. Dann sitzen wir in Redaktionskonferenzen und fragen: Wie können wir die Geschichte „weiterdrehen“, sie spürbar machen? taz Forum

Von der Politik Konsequenzen zu erwarten, wo doch jede Maßnahme gegen israelische Politiker hierzulande als potentiell antisemitisch dargestellt wird, ist auch etwas blauäugig. Welcher Politiker würde sich einem solchen Shitstorm aussetzen wollen? taz Forum

Das israelische Außenministerium hat erneut die Hungerkatastrophe im Gaza­streifen geleugnet und vielmehr behauptet, bei den Bildern würde es sich um Bilder mit schwerkranken Kindern handeln. Bernd Kuhlmann, Ostbevern

Es ist zum Verzweifeln. Das Einzige, was jetzt hilft, sind Massenproteste. Die Menschen müssen auf die Straßen! taz Forum

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen