: Gay in Uganda
Homosexuelle Handlungen können in Uganda mit „lebenslänglich“ bestraft werden. Die Medien hetzen gegen jeden, der sich für Lesben und Schwule einsetzt. Doch mittlerweile regt sich Widerstand. „Immerhin leugnet man nicht länger, dass wir existieren“, sagt Ssebudde Lule. Ein Besuch bei Aktivisten
von MICHIEL VAN OOSTERHOUT
Coming-out ist in Uganda ein sehr junges Phänomen. Bis in die späten Achtzigerjahre war Homosexualität ein Tabu in der Gesellschaft. Erst im Jahr 1999 trauten sich erste Schwulenaktivisten, offen für ihre Rechte einzutreten – eine absolute Neuheit für den afrikanischen Kontinent. Sie gründeten die Unterstützungsgruppe Right Companion.
Doch die Anfänge waren für die Gruppe schwierig. Als die ugandische Presse im selben Jahr über eine angebliche Hochzeit von Homosexuellen in Wandegeya, einer Vorstadt der Hauptstadt Kampala, berichtete, trat Präsident Yoweri Museveni eine öffentliche Kampagne gegen Homosexuelle los. Er gab dem ihm unterstehenden Criminal Investigation Department (CID) Anweisung, Schwule ausfindig zu machen, sie festzunehmen und vor Gericht zu bringen.
Die Arbeit des CID wurde durch die Bevölkerung tatkräftig unterstützt. Eine Initiative gegen Homosexuelle fing an, Treffpunkte von Schwulen zu ermitteln. Ihr Gründer, der Besitzer einer Medienfirma, präsentierte der Presse schnell erste Ergebnisse. Zwar stellte sich wenig später heraus, dass die vermeintliche Hochzeit gar nicht stattgefunden hatte, doch Musevenis Truppe wurde nicht gestoppt.
Wenige Tage nachdem Museveni die Jagd auf Homosexuelle eröffnet hatte, verhaftete die CID drei Lesben und zwei Schwule; allesamt Mitglieder von Right Companion. Im Landesbericht 2002 von amnesty international ist die Verhaftung der Aktivisten erwähnt. Sie seien in Strafanstalten zur Befragung gebracht worden, dank einer alarmierten Schwulen- und Lesbenorganisation aus Kanada, die tausend Dollar Bestechungsgeld zur Verfügung stellte, jedoch wieder freigelassen worden. Aus Angst vor weiteren Übergriffen flüchteten die Verfolgten nach Südafrika. Alle fünf gaben später zu Protokoll, psychisch und physisch misshandelt worden zu sein. Eine Frau berichtete, dass sie von zwei Männern, die sie verhörten, vergewaltigt wurde.
Ronald Lwabaayi, Mitglied von Right Companion, hatte wegen seiner Vorliebe für Männer in Kenia bereits zwei Monate in Einzelhaft verbracht. Nach seiner Entlassung kam er nach Uganda, wurde hier wieder verhaftet und mit Schwerstkriminellen eingesperrt. Dieses Mal war es Integrity-Canada, eine Gruppe anglikanischer Schwuler mit weltweiten Büros, die ebenfalls eintausend Dollar aufbrachten, damit Lwabaayi freikam. Vorfälle dieser Art sorgten unter Schwulen und Lesben für eine Atmosphäre der Angst und des Misstrauens.
Sylvia Tamale, Menschenrechtsaktivistin und Juraprofessorin an der Makere-Universität in Kampala, ist eine wichtige Figur im Kampf um die Anerkennung von Homosexualität. In ihrem kleinen Büro auf dem Campus zeichnet sie ein scharfes Bild der gegenwärtigen Lage. Zu der Mitteilung von Ugandas Menschenrechtskommission (UHCR), dass Homosexuelle für ihre eigenen Rechte kämpfen müssten, schüttelt Tamale die Dreadlocks: „Wenn eine Menschenrechtsorganisation denkt, manche unterdrückte Menschen bedürften nicht ihres Schutzes, dann ist etwas grundlegend falsch.“
Laut Tamale liegt einer der Gründe für die Schwierigkeiten von Schwulen und Lesben, akzeptiert zu werden, im panafrikanischen Denken, wie es Präsident Museveni vertritt. „Homosexualität passt nicht zur romantisierten Darstellung der traditionellen afrikanischen Familie. In einer patriarchischen Gesellschaft, wo der Schwerpunkt einer sexuellen Beziehung auf einem dominanten Mann basiert, kann man verstehen, dass Homosexualität eine große Herausforderung darstellt.“
Homosexualität, so stelle es die Regierung dar, sei eine aus der westlichen Welt importierte Krankheit. „Importiert?“ Sylvia Tamele hebt die Stimme. „Es besteht gar kein Zweifel, dass Homosexualität schon vor dem Kolonialismus oder sogar vor der Ankunft der Araber in Ostafrika existierte. Es ist lächerlich zu behaupten, die Praktiken seien durch westliche Staaten eingeführt worden. Was die Menschen nicht realisieren, ist, dass die Religion importiert ist. Nicht die Homosexualität!“
Tamale lacht: „Während eines Commonwealth-Gipfels in Australien ging Museveni sogar so weit zu leugnen, dass es Homosexuelle in Uganda überhaupt gebe. Wie kann er das sagen, wenn doch Untersuchungen belegen, dass Homosexualität bestand, lange bevor die Weißen hier ankamen? Es gibt eine Studie des Soziologen Amania über die Kultur des Volkes der Ankole [Musevenis eigene Ethnie im Südwesten Ugandas; Anm. d. Red.]. Sie zeigt unter anderem, dass es Homosexualität schon vor dem Kolonialismus gab.“
Ein weiteres historisches Beispiel ist die pädophile Neigung zu Knaben, die ein König von Buganda Ende des 19. Jahrhunderts auslebte – Buganda, die historische Kernregion des heutigen Uganda, war damals eines der mächtigsten Königreiche Afrikas. Diese Knaben waren Pagen am Hofe von Mwanga II., eines Vorfahren des heute herrschenden Königs Mutebi II. Sylvia Tamale: „Die Geschichte dieser Pagen ist in ‚The Uganda Holocaust‘ (1980) dokumentiert. Das Buch vertritt die These, dass diese Kinder (die heute als Märtyrer verehrt werden und vom Vatikan 1964 heilig gesprochen wurden) lebendig verbrannt wurden, weil sie sich gegen die sexuellen Annäherungen von Mwanga II. gewehrt hatten.“ Aber es gibt auch spektakuläre aktuelle Fälle: Ein inzwischen verstorbener Bruder von Mutebi II. hatte sich sogar geoutet.
Inmitten des Restaurantgetriebes im Tourist Hotel in Kampala sitzt Ssebudde Lule, der Präsident der im Untergrund arbeitenden Schwulenorganisation Gala Uganda (Gay and Lesbian Alliance of Uganda). Es ist schwierig, ein Interview mit ihm zu bekommen. Immer wieder ändert er noch kurz vor dem zugesagten Treffen Termin und Treffpunkt. Auch er hat Angst vor Übergriffen. Seit der Freilassung Lwabaayis wurden zwar öffentlich keine weiteren Verurteilungen mehr bekannt, aber Verhaftungen gibt es weiterhin.
Lule hat eine Ausgabe von Ugandas kontroversem Magazin Red Pepper mitgebracht. Er deutet auf eine Aufnahme von zwei nackten Frauen. „Da steht, dass diese Frauen Lesben sind. Aber das glaube ich nicht. Sich so darzustellen – das wäre doch Selbstmord. Jeder erkennt dich. Und wenn man sich schon outet, dann sicher nicht nackt.“
Lule hasst das Versteckspiel, zu dem er sich als Schwuler gezwungen sieht. „Viele sind Angsthasen. Aber das ist verständlich, denn immer noch können wir nach Artikel 140, 141 und 143 der Verfassung strafrechtlich verfolgt werden.“ Das Strafmaß für homosexuelle Handlungen beginnt bei fünf Jahren; die Höchststrafe ist lebenslänglich. Immerhin sechs Gruppen gibt es in Uganda, die sich für Homosexuellenbelange einsetzen. Treffen können sich die Aktivisten allerdings kaum, auch bei der Kommunikation via Internet ist Vorsicht geboten. „Es gibt immer noch viel zu viel Misstrauen“, berichtet Lule.
Eine Schlüsselrolle beim Schüren homophober Gefühle spielt Martin Ssempa, ein fundamentalistisch-christlicher Pfarrer. Sein Credo ist, dass mit der richtigen Therapie ein Homosexueller in einen Heterosexuellen umgewandelt werden könne. Doch innerhalb der Kirchen gibt es auch Andersdenkende. Nach der Verfolgung Lwabaayis wurde, in Zusammenarbeit mit Integrity-USA, Integrity-Uganda gegründet. Der pensionierte anglikanische Bischof Christopher Ssenyonjo wurde ihr Vorsitzender. Er gilt neben Sylvia Tamale als der einzige Prominente seines Landes, der sich für die Gleichberechtigung Homosexueller einsetzt. Ssenyonjo schätzt, dass davon rund 600.000 in Uganda leben.
Gegner hat Ssenyonjo vor allem in seiner eigenen Kirche. Sie klagt den Bischof an, nur zu seinem persönlichen Vorteil Gay-Aktivist zu sein. Schwule zu verteidigen, sagt die Kirche, sei eine Garantie dafür, „jede Menge Spendengelder aus schwulenfreundlichen, westlichen Ländern zu bekommen“. Ssenyonjo leidet unter Sanktionen: „Die Anglikanische Kirche Ugandas hat mein Einkommen gesperrt, mich ausgeschlossen. Mein Vorgesetzter Erzbischof Livingstone Nkoyoyo hat mir ein Predigtverbot erteilt.“ Doch Ssenyonjo betreibt weiter Seelsorge für Schwule und Lesben und feiert Sonntags in Privathäusern die Messe.
Erst seit 1999 weicht die staatlich organisierte Verfolgung einer, wenn auch nicht besonders objektiven, Diskussion. In der größten Tageszeitung Ugandas, der staatseigenen New Vision, lassen sich nun regelmäßig Kolumnisten und Leser über Homosexuelle aus.
Sylvia Tamale kennt solche Auseinandersetzungen in den Medien. Im Februar 2003 wurde sie selbst zur Zielscheibe homophober Berichterstattung. Tamale war damals Präsidentin eines Forums von Frauengruppen, das über einen Parlamentsantrag zur Gründung einer staatlichen Antidiskriminierungskommission diskutieren wollte. Nach einer Anhörung im Parlament warf ein Journalist die Frage auf, ob diese Frauengruppen sich auch für Lesben und Schwule einsetzen würden. Tamale entgegnete, Homosexuelle verdienten dieselben Rechte wie andere marginalisierte Gruppen der Gesellschaft. Ein Schrei des Entsetzens brach los. „Tagelang schrieb die Presse über kaum etwas anderes“, erinnert sie sich.
Tamale musste sich öffentlich verteidigen und Stellungnahmen abgeben, wurde zu unzähligen Talkshows und Interviews geladen. „Meistens musste ich dann mit Homophoben diskutieren“, erinnert sie sich. „Jedes Mal, wenn ich das Radio anschaltete, machte mich jemand runter.“ Ein Mann schlug sogar vor, man solle sie auf den Marktplatz tragen und anzünden. Und doch gelingt Sylvia Tamale, allem eine positive Seite abzugewinnen: „Immerhin war es ein Fortschritt, dass so ein Thema überhaupt diskutiert wurde.“ Ein Anfang ist gemacht. Ein weiterer Fortschritt wäre es, wenn es gelänge, die Stimmen und Erfahrungen der Homosexuellen selbst in die Öffentlichkeit zu bringen.
Aus dem Englischen von Judith LuigMichiel van Oosterhout lebt als freier Journalist in Uganda