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■ GastkommentarDer schwulen NS-Opfer gedenken

Der Kanzler wollte ein für allemal Ruhe. Erst eine „Aussöhnung“ mit der nationalsozialistischen Kriegsvergangenheit am Bitburger Soldatenfriedhof, dann eine Universal-Gedenkstätte zur Kranzablage in der Neuen Wache. Das Resultat ist bekannt: Es wurde nie lauter über den Umgang mit der deutschen Vergangenheit gestritten. Die Begradigung der Geschichte läßt sich auch mit erläuternden Kompromiß-Täfelchen nicht erreichen. Dort wurden mit Bedacht neben den Juden alle Gruppen aufgeführt, die sich erfrechen könnten, einen Ort des Gedenkens für ihre Opfer einzufordern: etwa die Sinti und Roma, die Zwangssterilisierten, die Schwulen. Und nun erfrechen sie sich trotzdem. Die Zustimmung von Ignatz Bubis zur Neuen Wache war nur zu bekommen für das Versprechen eines Mahnmals für die ermordeten europäischen Juden, die Sinti und Roma fordern lautstark Gleiches ein, und nun kommen auch noch die Schwulen. Zu Recht.

Gab es gegenüber den Juden im Nachkriegs-Deutschland ein offizielles Schuldeingeständnis, so dauerte für die Schwulen die staatliche Repression in den fünfziger Jahren in West und Ost fast unvermindert an. „Totgeschlagen – totgeschwiegen“ heißt es deshalb zu Recht auf der kleinen rosa Granittafel am U-Bahnhof Nollendorfplatz. Die Männer, die im KZ den rosa Winkel trugen, sind meist vergessen. Es braucht Erinnerungsarbeit, Forschung und einen Ort des Gedenkens. In Frankfurt am Main hat die Stadt ein zentral gelegenes Grundstück zur Verfügung gestellt, jetzt fehlt noch das Geld für die Realisierung. Nicht einmal eine öffentliche Diskussion gab es darüber bisher in Berlin. Das wird sich ändern. Die Bedeutung der nationalsozialistischen Verfolgung für die Biographien von Schwulen wird nach und nach deutlicher. Wer im Schwulen Museum in Kreuzberg die Dokumente der Gestapo auf sich wirken läßt, wird rasch fragen, warum die NS-Schwulenverfolgung so selten zur Sprache kommt. Die Antwort ist einfach: weil Homosexualität noch heute unerwünscht ist und der Paragraph 175 StGB in abgeschwächter Form immer noch gilt.

In Berlin sollte es nicht zu einer Konkurrenz und zu einer Hierarchisierung der NS-Mahnmale und -Gedenkstätten kommen. Am sinnvollsten wird es immer sein, an historischen Orten mit einem engen Bezug zur jeweiligen Opfergruppe zu gedenken. Für Schwule bietet sich der Tiergarten an. Nicht nur, daß dort schon lange bei Nacht und Tag schwules Leben stattfindet, nein, dort war auch das berühmte Institut für Sexualforschung des Homo-Vorkämpfers Dr. Magnus Hirschfeld. Das Grundstück soll künftig zum Kanzleramt gehören. Helmut Kohl würde der Anblick sicherlich nicht schaden. Aber er würde sich wohl hinter einer sehr dichten Hecke beim Spannen verstecken. Albert Eckert

Der Autor (parteilos) ist kulturpolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Grüne (AL)/UFV im Abgeordnetenhaus.

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