■ Gastkommentar: Marode Provinz
Auch wer ihn nicht schätzt, muß diesmal ohne Häme sein. Wedemeier ist wirklich und wahrhaftig der Klöckner-Erfolg zu gönnen. Schließlich geht es nicht um den politischen Loorbeer für den Einzelnen, es geht um viertausend Arbeitsplätze. Die rettet man gern auch mit einem ungeliebten Bürgermeister. Niemand darf wünschen, daß er scheitert.
Auf der Rettungsaktion lasten aber schwere Hypotheken. Bremen hat immer noch nicht seinen wirtschaftspolitischen Kurs korrigiert. Bremen liefert sich immer noch wenigen Großen aus. Klöckner ist ein Leitfossil prähistorischer Wirtschaftspolitik. Häufig am Ende, häufig wieder hochgepäppelt, manchmal erstaunlich lebendig, aber nie dauerhaft gesund. Das Beste was passieren kann, ist die Beständigkeit des Schlingerkurses. Die Talfahrten seiner Großbetriebe bremst Bremen immer wieder mit öffentlichen Geldern. Den größten Teil seiner Schulden hat Bremen in die Rettung seiner Arbeitsplätze gesteckt. Wer wollte dem Senat dafür Vorwürfe machen? Doch diese Politik ist am Ende. Wenn Klöckner weiter in den roten Zahlen bleibt und die Stadt alle Mitbeteiligtem vom Risiko freistellt, muß wieder öffentliches Geld die neuerlichen Löcher stopfen, die Kenner jetzt schon wachsen sehen. Doch woher nehmen? Die Bonner Entschuldungshilfe ist nicht zur Dauerfinanzierung maroder Großbetriebe zu verwenden.
Wehe, wenn der Vulkan Husten kriegt! Das Nordwolle-Desaster hat seinerzeit viele in den Strudel einbezogen. Hennemanns Imperium hat inzwischen eine Dimension erreicht, die der Senat mit seinen Zollstöcken nicht mehr messen kann. Ihm bleibt nichts, als zu beten, daß alles gut geht.
Die Eigenstaatlichkeit Bremens macht nur Sinn, wenn der Provinzstadtstaat die Kompetenz und die Kraft aufbringt, auf Dauer gesunde Wirtschaft wachsen zu lassen. Mit Wurschtelei im Rathaus, wo Kröning nicht weiß, was Jäger will und Evi ihren Klaus kalt anscheißen kann, wird die Jahrhundertaufgabe, Bremen aus der Dauerkrise zu retten, nicht zu lösen sein.
Thomas Franke, Senator a.D.
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