■ Gastkommentar: Krawall-Ritual
Im Viertel, so hätte man annehmen können, leben Leute, die sich mit ihrem Stadtteil und seiner Geschichte auskennen. Womöglich Leute, die sich an ihre eigene Jugend und die Ideen, die sie damals umgetrieben haben, erinnern. Vielleicht auch Leute, deren Kinder Silvester nicht mehr im Kreise der Familie verbringen. Kurz Leute, bei denen man doch Sympathie für eine Politik vermuten könnte, die nach Auswegen aus einem dummen und zerstörerischen Krawallritual sucht.
Zerstörerisch nicht nur deshalb, weil dabei Fensterscheiben zerdeppert werden, sondern auch deshalb, weil dabei jedesmal etwas von dem Zusammenhalt des Quartiers verbraucht wird. In Zeiten wo die Mittel knapp und die Ellenbogen spitz werden, braucht dieses Quartier aber seinen Zusammenhalt dringender denn je.
Ich wette darauf: Auch wenn wir die Mieter der Hohenpfadgarage schon Ostern um Kooperation gebeten hätten, wäre die Ablehnung nicht minder entschlossen ausgefallen. Soweit so schlecht – die Party ist abgeblasen, und es darf abgewartet werden wie wir immer abgewartet haben. Vielleicht verschlafen die Bösewichter ja dieses Silvester, oder der neue Innensenator hat eine mordsmäßige Idee, wie er die Straßen im Viertel unter Kontrolle bringen kann. Auffällig ist nur, daß bis jetzt noch niemand – auch niemand aus dem Kreis der Leute, die immer auf den starken Mann im Innenressort gewartet haben – glaubt: Dieses Jahr wird's die Polizei schon richten.
Sie wird sich Mühe geben, wie jedes Jahr. Es wird nicht reichen, wie jedes Jahr. Die Politik, die wir vorschlagen möchten, ist eine Alternative zum Totstellen und Sich-Wegdrücken. Schnelle Erfolge sind nicht wahrscheinlich. Wer glaubt, eine Abkürzung zu kennen, soll sich melden.
Robert Bücking, Ortsamtsleiter Mitte/Östliche Vorstadt
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