■ Gastkommentar: Weg vom Verlierer-Image
In Bremen wird sich in den nächsten Jahren entscheiden, ob die Stadt eine reelle Zukunfts chance haben und als interessant gelten wird, oder ob sie als Provinzstadt mit puritanisch-sozialdemokratischer Mentalität, Verweigerungshaltung und Negativ-Image abgestempelt sein wird. Bremen braucht einen Paradigmenwechsel seiner Leitidee und Grundorientierung. Strukturwandel ist dringender denn je, Vormachen, nicht nachmachen muß Bremens Devise werden. Zu diesem wirtschaftlich unverzichtbaren Strukturwandel gehört die Aufwertung der Kulturangebote, ihre Präsentation nach außen (Stadtmarketing) und Investitionen in Kulturwirtschaft (Musik, Film, Design, Unterhaltungsindustrie, Kunstmessen) unweigerlich hinzu. Bremen wuchert viel zu wenig mit den (Kultur-)Pfunden, die es hat, und tut viel zu wenig dafür, neue herausragende, unverwechselbare Kulturangbote zu errichten... Nase vorn, dieses Motto muß Bremen sich zu eigen machen, wenn es eine Chance in der Städtekonkurrenz haben will. Vormachen, statt nachmachen, würde z.B. bedeuten, eher ein Musicon zu errichten als auf das Xte Musical zu setzen, ein Musicon als Mehrzweckhalle in international herausragender Architektur von Daniel Liebeskind, damit könnte Bremen ein Kulturangebot verwirklichen, das in der Region einmalig ist. Beim Musical ist Bremen wieder Nachzügler, aber beim Musicon könnte es Vorreiter sein. Es wäre eine Attraktion für Besucher, und Einheimische hätten endlich einen Saal, mit einer Akustik für Weltklasse Konzerte. Ebenso wünschenswert wäre ein Ort für die Stadtbibliothek im Herzen der City, architektonisch interessant und zudem den Anspruch auf demokratische Teilhabe an der Informationsgesellschaft einlösend. Kunst und Kultur sind für Bremen unverzichtbar, wenn es sich als lebendige, phantasiereiche, vitale Stadt zeigen will. Gerade ein Stadtstaat wie Bremen, der ums Überleben ringt, braucht Kunst und Kultur als Lebenselixier und als Standortfaktor. Bremen braucht kulturelles Reizklima, um zur Erneuerung, zum Aufbruch ins nächste Jahrtausend gerüstet zu sein. So oder so ähnlich erklingt es auch in vielen Sonntagsreden aus Politikermündern, nur der Alltag am Montag und die Sparprioritäten am Dienstag im Senat sehen dann schnell anders aus. Die große Koalition in Bremen hat den Fehler gemacht, die Kultur im Mammutressort Bildung, Wissenschaft, Kunst und Sport wieder verschwinden zu lassen. Die Ampelkoalition hatte das Kulturressort verselbständigt, und gegen viele Ressentiments von misogynen Zeitgenossen hat das Kulturressort dazu beigetragen, die kulturpolitische Debatte in der Stadt neu zu beleben. Das grüne Kulturressort hat deutlich gemacht, daß Kunst und Kultur auch Standortfaktoren sind. Die anfängliche Theaterpolitik und die negativen Schlagzeilen, die Bremen damit in bundesweiten Feuilletons eingeheimst hat, haben gezeigt, daß es ein Fehler ist, die Kultur und die Kulturpolitik einer Stadt nicht zu schätzen. Bremen, zumal nach den Negativschlagzeilen der Vulkan-Katastrophe, muß dringend weg von dem Verlierer-Image. Dazu kann die Kulturpolitik positiv beitragen. Die Regierungspolitik muß die Bedeutung der Kulturpolitik erkennen und muß die einzelnen Kulturinstitutionen ermutigen und befähigen, ihre guten Ideen umzusetzen. Dazu muß man erfolgreiche Neuanfänge wie im Theater unterstützen und nicht bombadieren, wie es die große Koalition unglücklicherweise getan hat. Helga Trüpel
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