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■ Gastkommentar zu Werders VorpremiereHyde in ägyptischer Maske

Die Straßenlampen im nebligen Nieselregen. Nasse sieben Grad Celsius ums Weserstadion. Das Wetter paßt zur Werbung: Premierenankündigung für das Musical „Jekyll und Hyde“ im Februar. Bremens neue Attraktion rückt näher, Vorpremiere schon im Dezember. Willi Lemke, Werders Onkel Dagobert, und seine Truppe dürfen da nicht fehlen. Wissen wir doch schon lange, daß nur weniges im Leben so sehr die gespaltene Persönlichkeit, den gesellschaftlich arrivierten Dr. Jekyll und den grauen Mr. Hyde in einem Körper so gut widerspiegelt wie eine Fußballmannschaft. Und Werder Bremen ganz besonders: eben noch der Fehlpaß, beim nächsten Blick UEFA-Cup.

Zwei Personen in einer, zwei Personen, die im wirklichen Leben nichts miteinander zu tun haben. Die Regiekonzepte kamen am Freitag im Weserstadion beim Spiel Werder gegen Kaiserslautern mit diesem Stoff noch nicht so ganz klar. Regisseur Rehagel nahm das ganze wortgetreu. Die eine Hälfte seiner Mannschaft war Hyde, die andere Dr. Jekyll. Als solcher versuchte vor allem Libero Ciriaco Sforza mit Eleganz zu überzeugen, neben ihm seine beiden ägyptischen Bediensteten Samir und Ramzy fast ebenbürtig. Die Rolle des unscheinbaren Mr. Hyde gaben fast bewegungslos die Herren Marschall, Hristoy, Rösler und Rische, die sich effektiv in den Gassen der Bremer Hintermannschaft versteckten.

Seine Meisterschaft bewies Rehagel vor allem im vorletzten Akt. Er ließ Jekyll-Ramzy in die Hyde-Rolle schlüpfen, setzte diesem aber die ägyptische Maske auf. Da Ramzy – wegen eines früheren Gastspiels – mit den Schrittfolgen der Bremer Abwehr gut vertraut ist, übersahen sie ihn vollständig. Dafür sah Ramzy den Ball, den Jesus Junior (in der Pfalz „Messias“ genannt, ausgeliehen aus dem Musical „Jesus Christ Superstar“) von der Ecke spielte. Werders Torwart Brasas sah den Ball im Tor.

Das Regiekonzept von Werder Bremen war wesentlich schwerer zu entschlüsseln. Will man dem Regie-Novizen Magath glauben, hätte das Stück neu interpretiert werden sollen. Auf der Bühne ausschließlich Dr. Jekyll, allgegenwärtig, brilliant, experimentierfreudig. Den Mr. Hyde wollte er tief im Innern der Darsteller verborgen lassen. Bescheiden, grau und devot nur gegenüber dem Regisseur. Die Darsteller kamen mit dieser Interpretation nicht klar. Sie gaben im ersten Akt ausschließlich den Mr. Hyde und erinnerten sich an die vorgegebene Konzeption erst im zweiten Akt.

Jekyll und Hyde wird so kein Kassenschlager. Es wird auch schwer, sich mit derartigen Aufführungen lange auf der Bühne zu halten. Vielleicht sollte aber Werder auch ganz von dem Stück lassen und sich an die Produktion einer allseits erfolgreichen Aufführung zu machen, vielleicht „Saddam und Jesus“.

Dieter Mützelburg

Gastkommentator Dieter Mützelburg ist Sprecher der Bremer Bürgerschaftsfraktion Bündnis 90/Die Grünen

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