Gastkommentar: PISA 2 : Schulministerin blockiert
In dem Entscheidungsprozess um das NRW-Schulgesetz haben die Koalitionsfraktionen auf der Schlussgeraden den lang anhaltenden Widerstand des Schulministeriums gegen die Reform der Schulaufsicht gebrochen. Diese soll nun ab dem 1. 1. 2009 auf zwei Ebenen reduziert und schulformübergreifend organisiert werden soll. Bislang widersetzt sich jedoch das Ministerium der Forderung, auch die strukturelle Gliederung des gegenwärtigen Schulsystems den gesellschaftlichen Erfordernissen anzupassen wie in Schleswig- Holstein.
Zwar dürfen mit dem Inkrafttreten des Gesetzes endlich auch kommunale Schulträger in NRW unter bestimmten Bedingungen die bislang strikt nach Schulformen getrennt angebotenen Bildungsgänge der Hauptschule, der Realschule und des Gymnasiums zu einer Schule organisatorisch zusammenfassen. Doch die Chance des Zusammenwachsens wird durch die Verpflichtung, die schulformspezifische Ausrichtung jeweils zu erhalten, von vorne herein blockiert.
Bei rückläufigen Schülerzahlen ist dieses Modell lediglich eine pragmatische Option für Schulträger, die nicht genügend Schüler für die Fortführung ihrer Schulen haben. Einer Entwicklungsdynamik zur notwendigen Überwindung der selektiven Schulstrukturen „von unten“ wird mit diesen Auflagen bewusst ein Riegel vorgeschoben.
Wie anders dagegen agiert Schleswig-Holstein! Einem Gutachten des Instituts für Schulentwicklungsforschung an der Uni Dortmund folgend sollen alle Schulträger darauf verpflichtet werden, Gemeinschaftsschulen zu errichten. In einem zehnjährigen Prozess sollen darin perspektivisch alle Schulformen der Sekundarstufe I vollständig zusammengeführt werden. Die konzeptionelle pädagogische Ausgestaltung liegt in der Zuständigkeit der Schulen und Schulträger. So kann das Land auf eine sanfte Art dem Ziel einer guten Schule für alle Kinder zusteuern.
Die neuen PISA-Ergebnisse bescheinigen dem deutschen Schulsystem Verfestigung und Zunahme sozialer Chancenungleichheit. Der Landessozialbericht stellt die bedrohliche Entwicklung wachsender sozialer Disparitäten heraus. Dennoch rüstet die CDU im Land bildungspolitisch wieder auf für einen ideologischen Glaubenskrieg. Allein schon bei der Ankündigung einer schulformübergreifenden Schulaufsicht schreit sie Zeter und Mordio und sieht den ersten Schritt für die Abschaffung des derzeitigen Schulsystems.
Die Landesregierung täuscht sich also gründlich, wenn sie glaubt, die CDU mit diesem inkonsequenten Schulgesetz ruhig stellen zu können. Dieses bietet vielmehr die Chance, Konsequenzen aus den demografischen und gesellschaftlichen Entwicklungen zu ziehen. Wenn dies auf die intelligente Art geschieht, kann sie die Mehrheit der Menschen für sich gewinnen.
BRIGITTE SCHUMANN
Brigitte Schumann war Landtagsabgeordnete der Grünen. Sie arbeitet als freie Journalistin