piwik no script img

„Ganz radikaler Antrag auf eine 38,5-Stunden-Woche“

■ Im taz-Interview: GAL-Schul-Experte Kurt Edler will die geplante Erhöhung der Lehrerarbeitszeit kippen

taz: Es scheint, als sei die Arbeitszeitverlängerung für Lehrer zum 1.8. 1995 so gut wie beschlossen. Nun stellt die GAL einen Antrag. Haben Sie die zündende Idee, wie anders verfahren werden könnte?

Kurt Edler: Es geht gar nicht, die Lehrerarbeitszeit zu verlängern. Was man bei diesem Berufsstand machen kann, ist, die Wochenpflichtzahl an Unterrichtsstunden zu erhöhen. Aber jeder Lehrer kennt genügend Tricks, dies individuell zurückzunehmen. Also geht es auf Kosten der Bildungsqualität und trifft die Schüler.

Was beantragen Sie?

Wir gehen mit einem Kompaktantrag zur Neuregelung der Lehrerarbeitszeit in die Bürgerschaft, der auf lange Sicht der radikalste Antrag zur Schulreform ist, den wir überhaupt stellen können.

Was heißt das für den 1.8.95?

Der Senat soll bis zum 1.8. ein Konzept umsetzen, das von der bisherigen Berechnung der Wochenpflichtstunden abweicht und von 38,5 Stunden ausgeht. Dabei wird all das, was bisher nicht berechnet wird, mit einbezogen. Sprich: Elternarbeit, Konferenzen, Korrekturen, Vorbereitung des Unterrichts, Klassenreisen, Projekte und nicht zuletzt Fortbildung.

Ein solches Modell würde mehr Lehrer erfordern, nicht weniger.

Das kann sein. Wir gehen aber davon aus, daß der Senat unterstellt, die Lehrer hätten bisher nicht genug gearbeitet, da er ihre Arbeitszeit verlängert. Wenn also ein Mehrbedarf entsteht, beweist dies, daß Lehrer bisher weit über den im Öffentlichen Dienst üblichen 38,5 Stunden liegen.

Was kostet ihr Vorschlag?

Wir beantragen, die Lehrerarbeitszeit zum 1.8. 1995 nicht zu verlängern. Das würde den 95er Haushalt mit 10,5 Millionen Mark belasten. Die wären von den 130 Millionen Mark Mehreinnahmen, die man durch Verpackungssteuer und andere Maßnahmen erwirtschaften könnte, gedeckt.

Die Schulbehörde hatte Bereitschaft signalisiert, auf der Basis des Stellenplans über neue Arbeitszeitmodelle zu reden. Warum geht dies nicht?

Die Lehrerschaft ist gegenüber einer weiteren Erhöhung völlig ungeschützt. Wer sagt uns denn, daß 1996 nicht eine weitere Stunde auf alle Lehrer zukommt? Ich weiß, daß hinter den Kulissen bei der Behörde und auch in der SPD neue Berechnungsformen wohlwollend betrachtet werden. Da man aber jetzt unter Pädagogen soviel Vertrauen verspielt hat, hat man Angst, mit einem solchen Vorschlag in die Diskussion zu gehen.

Und warum tun Sie's? Es ist sehr wahrscheinlich, daß Sie abblitzen.

Die GAL favorisiert ein Konzept, daß unter Fachleuten inzwischen breite Zustimmung findet. Alle sind sich einig, daß es so nicht bleiben kann. Unsere Fraktion spielt hier eine Pionierrolle. Die ist natürlich immer mit Rückschlägen verbunden. Fragen: Kaija Kutter

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen