: Ganz Peking staunt?
■ betr.: „Rock für Individualisten“ von Georg Blume, taz vom 6.9. 97
[...] Es ist wahr, daß es ungewöhnlich ist, daß das Konzert zu diesem Zeitpunkt stattfinden durfte, aber das sollte einen eher argwöhnisch als optimistisch werden lassen. Die Parteiführung weiß genau, welche Art Veranstaltung sie unbeschadet zulassen kann. Zang Tian Shuo ist nicht (mehr) der rebellische Vollblutrocker, den Georg Blume gerne sehen möchte, und allein der Name seiner Band reicht nicht, um provozieren zu können, wohl aber, um ausländische Presse aufmerksam zu machen. Selbst in seiner „rebellischen“ Phase hörte man Zang in einem seiner erfolgreichsten Titel nur rappen, daß er zwar alles sagen wolle, allerdings ohne jemandem weh zu tun, und gesagt hat er letztlich so viel nie.
Er hat wohl auf seinem ersten Album noch musikalische Experimente „zwischen Punk und Rap“ präsentiert, aber das folgende zweite und aktuelle Album ist ungleich kommerzieller, biedert sich heftig dem süßlich-kitischen Cantopop an, hat mit Rock nichts zu tun und reicht keineswegs für ein „Gegenprogramm zum Parteikongreß“, offensichtlich ist genau das Gegenteil der Fall.
Was Blume in seinem Artikel nicht erwähnt, ist, daß die Pekinger Klubs, in denen tatsächlich hin und wieder „Underground“-Bands auftreten, gezwungen sind, alle Aktivitäten vor dem Parteitag einzustellen, um nicht ihre Existenz zu gefährden. Was er auch nicht erwähnt, ist die Tatsache, daß gerade in den letzten Monaten einige Bands mit ihren Produktionen an der Zensur nicht vorbeikamen und daß es lange nicht so wenige Neuerscheinungen im Bereich Rock gegeben hat wie seit dem letzten Jahr. Nach meinen Informationen hat das Kulturministerium erst Anfang dieses Jahres Regelungen erlassen, mit denen die Musik- und Kunstszene noch rigoroser als zuvor kontrolliert wird, und die Verschlechterung der Lebensbedingungen meiner chinesischen FreundInnen aus der Szene zeugen davon. Es „herrscht“ Ruhe in der Stadt, Kommerz ist nicht gefährlich für die „roten Kaiser“, das sollte „der Westen“ am besten wissen. Wolfgang in der Wiesche,
Peking
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