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Gags der 80. Oscar-VerleihungDie Witze sind wieder da

Die diesjährige "Oscar"-Preisverleihung war wie jede andere: enttäuschend. Obwohl die Gag-Autoren kurz vorher ihren Streik beendet hatten.

Und wie immer, auf Kosten anderer. Bild: reuters

Die "Oscars" sind für Amerika wie der Valentinstag für Liebhaber, wie ein Vergnügungsparkausflug für Kleinfamilien: eine zumeist enttäuschende, aber dennoch lieb gewonnene Tradition. Daher ist man nie gänzlich über die "Oscar"-Aufregung überrascht, die in diesem Jahr einen seltenen Höhepunkt erreichte. Schuld daran war weniger das geschichtsträchtige Alter des Filmpreises, dessen Verleihung sich am Sonntag zum 80. Mal jährte, als vielmehr der Streik der Drehbuchautoren, der erst acht Tage vor der Preisverleihung im Kodak-Theater in Los Angeles zu Ende gegangen war und so bis zum vorletzten Moment die Veranstaltung wie zuvor die Golden Globes durch schlechte Publicity und fehlende Moderationstexte im Sande verlaufen zu lassen gedroht hatte.

Besorgt fragten etwa Kulturredakteure der New York Times bei Jon Stewart von Comedy Centrals Kult-Fake-News-Sendung "The Daily Show", der die "Oscar"-Live-Übertragung auf dem Fernsehsender ABC zum nunmehr zweiten Mal moderierte, ob er und sein Autorenteam das knappe Arbeitspensum schaffen könnten, und widmeten ihm ihre Titelseite. Firmen wie American Express, Cadillac und Coca-Cola ließen neue Werbespots filmen, um sie für 1,8 Millionen Dollar 30 Sekunden lang während der Oscars senden zu können.

Doch wie es bei zu hoch geschraubten Erwartungen oft der Fall ist, machte sich schnell eine verfrühte Katerstimmung breit. Das lag nicht am fehlenden Aufgebot von Filmstars wie Nicole Kidman, Hillary Swank oder Penelope Cruz in monochromen und schulterfreien Abendkleidern auf dem roten Teppich, sondern eher an der gänzlich unironischen Trivialität jener seit einigen Jahren um sich greifenden demokratischen Starkultur, die Hollywoodglamour im Keim erstickt.

An Jon Stewart und seinem Autorenteam lag das nicht. Sie bewiesen, dass man eine vierstündige Live-Sendung auch in einer Woche planen kann. Auf den Streik verweisend begrüßte Stewart die Hollywoodgäste mit den Worten "Willkommen zum Versöhnungssex!" und kommentierte die vermeintliche Solidarität von Vanity Fair mit dem Hinweis, dass man diese auch mit Einladungen für die Autoren schon in den vergangenen Jahren hätte zeigen können. Den witzigsten Moment des Abends lieferte Stewart mit der treffenden Beobachtung zum historischen US-Wahlkampf: "Normalerweise, wenn man einen Schwarzen oder eine Frau als Präsidenten sieht, sieht man auch einen Asteroiden auf die Freiheitsstatue niederkommen."

Im Vorfeld schon hatte er verlauten lassen, dass er die Washingtoner Politik und Hollywoods Filmindustrie für Geschwister im Geiste halte. Und so piesackte Stewart Hollywood dann auch genauso bissig, wie er es auf seiner Comedy-Show allabendlich mit Washington macht. Die schauspielerische Verwandlungsfähigkeit der für ihre Porträts von Bob Dylan und Queen Elizabeth gleich zweifach nominierten Cate Blanchett lobte er mit einen Verweis auf ihre wenig beachtete Rolle als zähnefletschender Pitbullterrier in P. T. Andersons Film "There Will Be Blood", und bezüglich der Reproduktionsfreude Hollywoods gab er zu bedenken, dass die Zahl der schwangeren Schauspielerinnen am Ende des Abends noch einmal durchgezählt werden müsse, schließlich befände sich Jack Nicholson im Publikum.

Trotz Stewarts Witze brauchte Hollywood niemanden, der es auf den Boden der Tatsachen herunterholte. Das machte es lieber selbst. Die Preise für den besten Film und die beste Regie wurden an die in New York lebenden Hollywood-Outsider Joel und Ethan Coen vergeben, auch die Schauspielauszeichnungen erhielten nichtamerikanische Outsider. Javier Bardem ("No Country for Old Men") bekam den "Oscar" für die beste männliche Nebenrolle, die Britin Tilda Swinton ("Michael Clayton") für die beste weibliche. Die Französin Marion Cotillard ("La Vie en Rose") sprach mit einem dicken französischem Akzent bewegt vom Leben und von der Liebe, und Daniel Day-Lewis ("There Will Be Blood") holte sich sehr britisch einen imaginären Ritterschlag von Helen Mirren, der "Queen"-Schauspielerin.

Diese löblichen cineastischen Entscheidungen bebildern das schizophrene Dilemma, in dem sich die Academy befindet. Während sich die "Oscars" dem dümmlichsten Celebrity-Kult verschreiben, versuchen sie sich auch mit ernsthaften Statements über den künstlerischen Wert von Filmen. Was aber nun nicht heißt, dass wir sie im nächsten Jahr nicht wieder anschauen werden. DANIEL SCHREIBER

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