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Archiv-Artikel

Gabriel will Atomklo Konrad

Das geplante Atommüllendlager Schacht Konrad soll laut Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) zügig errichtet werden. „Wir setzen das jetzt um“, kündigte er bei seinem gestrigen Besuch an

Lagern ohne Ende

In Deutschland gibt es vier Endlagerstandorte, drei davon liegen in Niedersachsen. Im stillgelegten Salzbergwerk Asse bei Wolfenbüttel existiert ein offiziell so genanntes „Versuchsendlager“ für schwach- und mittelradioaktiven Atommüll. Seit mehreren Jahren dringt Salzlauge ins Bergwerk. Umweltschützer warnen vor einem „Absaufen“ der Grube. Das Bundesverwaltungsgericht hat kürzlich den Weg für die Einlagerung von 300.000 Kubikmetern schwach- und mittelradioaktiven Atommüll in das frühere Eisenerzbergwerk Schacht Konrad bei Salzgitter freigemacht. Der Salzstock bei Gorleben wird seit Ende der 1970er Jahre auf seine Eignung als Endlager für hochradioaktiven Atommüll untersucht. In unmittelbarer Nähe werden zwei Zwischenlager für Atommüll betrieben. Morsleben in Sachsen-Anhalt war das Endlager der DDR. In dem Salzstock lagern rund 400.000 Kubikmeter schwach- und mittelradioaktiver Atommüll. Derzeit läuft das Verfahren zur Stilllegung des einsturzgefährdeten Lagers. rp

VON REIMAR PAUL

Bei seinem gestrigen Besuch im geplanten Atommüllendlager Schacht Konrad hatte Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) einen Termin weniger als vorgesehen zu absolvieren. Denn die Atomgegner aus der Region lehnten die Einladung zu einem Gespräch kurzerhand ab – Gabriel hatte nämlich schon vorab verkündet, dass aus seiner Sicht einem Bau des Endlagers nichts mehr im Wege steht. „Wir sind doch nicht die Manövriermasse ministerieller Öffentlichkeitsarbeit“, empörte sich der Landwirt und Konrad-Kritiker Ludwig Wasmus aus Salzgitter-Bleckenstedt.

Das Bündnis „Salzgitter gegen Konrad“, in dem Parteien, Naturschutzverbände, Gewerkschafter und Kirchengruppen mitarbeiten, teilte Gabriel die Absage zum Plausch in einem Offenen Brief mit. Statt Vorabfestlegungen auf ein Endlager Konrad werden in dem Schreiben eine breite gesellschaftliche Diskussion über Konzepte zur Endlagerung und ein offenes Verfahren zur Standortsuche gefordert. „Wir lehnen den sofortigen Umbau von Konrad zu einem Endlager weiterhin entschieden ab und werden das unsrige dazu beitragen, diese Maßnahme zu verhindern“, erklärte das Bündnis kämpferisch.

Gabriel zeigte sich von den Protesten nur wenig beeindruckt. „Wir setzen das jetzt um“, sagte er. Zuvor war der Minister in großer Begleitung in den Schacht eingefahren und hatte sich in dem weit verzweigten Grubensystem umgesehen. Nach Ansicht des Ministers gehen von einem künftigen Endlager keine Gefahren aus. Die ersten Abfälle könnten bereits in sechs Jahren in Schacht Konrad eingelagert werden.

Als Zuckerl für die betroffene Region Salzgitter kündigte Gabriel einen Fond an, der Projekte finanziell fördern soll. Auch die AKW-Betreiber als Hauptverursacher des Atommülls würden in diesen Topf Geld einzahlen. In unmittelbarer Nähe des Schachtgeländes will der Bund überdies eine Informationsstelle einrichten. Die Öffentlichkeit werde regelmäßig über den Stand der Dinge unterrichtet, versprach der Minister. Sein niedersächsischer Amtskollege Hans-Heinrich Sander (FDP) zeigte sich beglückt über Gabriels Ankündigung. Mehr als 90 Prozent der vorhandenen und noch anfallenden radioaktiven Abfälle könnten ab 2013 „nachhaltig und sicher eingelagert werden“, freute sich der bekennende Kernkraft-Freund.

Der frühere Konrad-Skeptiker Gabriel ist erst seit einigen Wochen auf einen Pro-Konrad-Kurs umgeschwenkt. Anfang April hatte das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass das Endlager Konrad gebaut werden kann. In dem früheren Eisenerzbergwerk sollen laut Genehmigungsbescheid bis zu 303.000 Kubikmeter schwach und mittelradioaktive Abfälle aufbewahrt werden. Sie stammen aus Atomkraftwerken, Sammelstellen, Kliniken und Forschungsinstituten. Für stark strahlenden Müll wie abgebrannte AKW-Brennstäbe wurde Schacht Konrad nicht zugelassen.

Während für Minister Gabriel die Auseinandersetzung mit dem Berliner Richterspruch abgeschlossen ist, halten es die Atomgegner noch längst nicht für ausgemacht, dass Schacht Konrad tatsächlich zur Atommülldeponie wird. Nach dem Landwirt und Konrad-Kläger Walter Traube hat auch die Stadt Salzgitter Verfassungsbeschwerde eingereicht. Neben der juristischen Option setzen die Kritiker jetzt aber vor allem auf den Druck der Straße. Am 13. Oktober soll es eine bundesweite Demonstration am Schacht Konrad geben. Gestern Nachmittag verabschiedeten die Atomkraftgegner Minister Gabriel mit einer Mahnwache.

Neuen politischen Aufwind für ihre Argumente erhoffen sich die Konrad-Gegner von dem täglich größer werdenden Desaster um das nahe gelegene „Versuchsendlager“ Asse II. „Das eine Fass wird nicht dicht und gleich nebenan wird ein zweites aufgemacht“, kritisierten gestern die IG-Metaller Wolfgang Räschke und Ina Biethan für das Bündnis „Salzgitter gegen Konrad“.

„Angesichts der katastrophalen Ereignisse mit der Asse darf es nicht einfach so weitergehen.“ Gestern sorgten neue Meldungen für Unruhe, nach denen gar nicht klar sei, wie viel Atomschrott überhaupt in dem früheren Salzbergwerk Asse lagert. Bei seinen Recherchen zu dem radioaktiven Inventar ist das Göttinger Anti-Atom-Plenum auf stark voneinander abweichende Angaben gestoßen.