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Archiv-Artikel

GRÜNER SONDERPARTEITAG – DENNOCH KOMMEN DIE SOZIALKÜRZUNGEN Der Streit ist schon entschieden

Haben die grünen Mandatsträger im Bundestag noch ein Mandat? Einige Grüne bezweifeln dies und wollen einen Sonderparteitag zur Sozialpolitik erzwingen. Denn sie finden sich in den Beschlüssen ihrer Abgeordneten nicht wieder – sei es zur Lockerung des Kündigungsschutzes oder zur reduzierten Arbeitslosenhilfe. Der Aufstand der Basis wirkt zwar wenig sensationell, scheint er doch an bekannte Flügelkämpfe zu erinnern. Doch tatsächlich ereignet sich Neues bei den Grünen.

Schon quantitativ: Die Grünen haben in der mehr als 20-jährigen Geschichte ihrer Partei nur zwei Konferenzen einberufen, die offiziell „Sonderparteitag“ hießen. 1993 befassten sie sich mit dem Militäreinsatz in Bosnien, 1999 ging es um das Kosovo. Diese Treffen mussten auch nicht erzwungen werden: Nach längerem Protestgemurmel der Basis lud die Parteispitze selbst ein. Jetzt kommt die Initiative ausschließlich von unten.

Interessanter noch ist der qualitative Wandel: Die Grünen entdecken ein neues parteiinternes Kampfthema. Auf den bisherigen Parteitagen haben sie eher am Rande über Sozialpolitik debattiert. Der Dissens manifestierte sich bei Traditionsthemen wie Krieg und Frieden oder beim Ausstieg aus der Atomenergie. Jetzt rücken Gesellschafts- und Haushaltspolitik ins Zentrum.

Doch so neu der Streit um die Sozialkürzungen ist – er dürfte bereits entschieden sein. Zwar werden wohl die zehn Prozent der Kreisverbände zusammenkommen, die nötig sind, um einen Sonderparteitag einzuberufen. Aber es ist unwahrscheinlich, dass sich dann eine Mehrheit findet, die den neoliberalen Kurs der grünen Bundesspitze abstraft. Schon aus Taktik: Sonst würde die Koalition mit Pragmatiker Gerhard Schröder erschüttert und die faktische Zusammenarbeit mit der Union im Bundesrat gefährdet. Aber auch Soziologisches spricht dagegen: Die meisten grünen Wähler sind inzwischen über 40 Jahre alt und verdienen ganz gut. Wenn die Arbeitslosenhilfe gekürzt und der Staatshaushalt auf Kosten der Armen geordnet wird, gehören sie eher zu den Gewinnern.

ULRIKE HERRMANN