GORDON REPINSKI ÜBER DAS NEUE SPD-KONZEPT ZU HARTZ IV : Wundenlecken mit Gabriel
Bis jetzt haben sich die Sozialdemokraten an den Reformen der Schröder-Zeit abgearbeitet, haben WählerInnen vergrault und Parteivorsitzende verschlissen, mit der Basis gekämpft und einen Teil ihrer Identität verloren. Just 2010 will Parteichef Gabriel das Kapitel Agenda endlich schließen. Doch bei allen vorgeschlagenen Korrekturen: Ein echter Neuanfang ist es nicht. Nichts anderes aber würde die SPD brauchen.
Zwar sind die Eckpunkte des Konzepts durchaus bemerkenswert: Von der Verlängerung der Arbeitslosengeldzahlung bis zu Veränderungen am Schonvermögen schlägt die SPD einen grundlegend neuen Weg ein. Und doch kann sich auch die von Regierungsverantwortung befreite SPD nicht vollkommen von Hartz IV lösen. So stark der Wunsch auch ist, sich sozialer auszurichten: Solange Agenda-Architekt Frank Walter-Steinmeier in der SPD etwas zu sagen hat, wäre dies auch ein Schlag gegen die eigene Führung. Und so bleiben die Reformvorschläge eben gerade so vage, dass man den einen so viel sozialdemokratische Identität wie möglich wiedergibt, ohne die anderen zu verprellen.
Sigmar Gabriel hat sich dabei sogar achtbar geschlagen. Einer inneren Einheit der Partei ist der Parteichef so nahe gekommen, wie es in diesem engen Spielraum möglich ist.
Auf einer anderen Ebene hilft diese Balanceakt erst einmal nichts. Die von der Arbeitsmarktpolitik Betroffenen haben sich längst von der Partei verabschiedet. Über zwei Millionen ehemalige SPD-Wähler wurden im Herbst bei den Bundestagswahlen zu NichtwählerInnen – deren Vertrauen zurückzugewinnen ist schwieriger, als innerparteilichen Frieden herzustellen. Sozialen Rückhalt suchen ALG-II-EmpfängerInnen längst nicht mehr bei der SPD – sie suchen Hilfe bei Wohlfahrtsverbänden oder privaten Initiativen. Dieser Realität wird sich auch Sigmar Gabriel stellen müssen. Die Wunden im Willy-Brandt-Haus mögen geleckt sein, die Probleme draußen sind es nicht.
Der Tag SEITE 2