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Archiv-Artikel

GESCHICHTSPROJEKT DES KINDERCLUBS AM GRIPS-THEATER Was denken Kinder über das Dritte Reich?

„Waren alle Deutschen Nazis? Weswegen hatten Juden keine Haustiere?“ Vor 80 Jahren rissen die Nationalsozialisten die Macht an sich und stürzten die Welt ins Chaos. Wie sich Kinder heute diesem Thema nähern, lässt sich an zwei Abenden in dieser Woche im großen Haus des Grips Theaters erleben.

Für das Stück „Ich sehe was, was du nicht siehst“ haben sich die 16 Kinder des Grips-Kinderklubs ein Jahr lang mit dem „Dritten Reich“ beschäftigt. „Am Anfang stand die Frage, was Kinder an diesem heiklen Thema interessieren könnte“, erklärt Karen Giese, Leiterin des Kinderklubs. Die 10- bis 13-jährigen TeilnehmerInnen besuchten Museen und Theaterstücke, lasen Bücher, befragten Familienangehörige. Doch neben Antworten stießen die Kinder vor allem auf neue Fragen: Wie war es, damals ein Kind zu sein? Wer war dieser Hitler eigentlich? Haben wirklich alle mitgemacht?

Am Anfang, so Giese, wurde einfach improvisiert. Wenn die Kinder einen Ansatz fanden, wurde gefilmt, abgeschrieben und weiterentwickelt. So entstand eine szenische Collage, die zeigt, was Kinder heute noch bewegt: die Situation jüdischer Schulkinder, die tägliche Angst derjenigen, die sich verstecken konnten, der Mut jugendlicher Widerstandskämpfer. In einer Szene des 70-minütigen Stücks schreibt eine junge Widerstandskämpferin aus der Haft einen Abschiedsbrief an ihren Vater: „Deswegen haben wir Flugblätter verteilt. Damit keiner sagen kann, dass er nicht gewusst hat, was die Nazis machen.“

An anderer Stelle tritt ein liebevoller Vater auf, der seinen Töchtern erlaubt, mit seinem kostbaren Füller zu schreiben. Jahre später stellt sich heraus, dass der Vater mit diesem Federhalter Deportationsbefehle der Gestapo unterschrieb. „Die beiden Szenen stehen exemplarisch dafür, was sich bei der Probenarbeit mit den Kindern gezeigt hat“, sagt Eric Veenstra, FSJler und Assistent am Grips Theater. Natürlich hätten die Kinder während ihrer Beschäftigung mit dem Dritten Reich viele Gefühle durchlebt, so Veenstra – von Bestürzung und Hilflosigkeit über Wut und Bewunderung. Nur ein Gefühl sei nie aufgekommen: Überforderung. GESA STEEGER

■ Nach der gestrigen Premiere ist „Ich sehe was, was du nicht siehst“ noch einmal am heutigen Freitag um 18 Uhr im Grips Theater am Hansaplatz zu sehen (ab 9 Jahren)