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Archiv-Artikel

GERHARD DILGER ÜBER DIE EINLADUNG AHMADINEDSCHADS NACH BRASILIEN Realpolitiker Lula

Mit seiner Entscheidung, den Holocaust-Leugner Mahmud Ahmadinedschad einzuladen, ist Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva ein Risiko eingegangen. Gegen expliziten Druck aus Washington und das einhellige Votum der Medien in seinen Land hat er schließlich seinen iranischen Amtskollegen in Brasília empfangen. Zu Recht. Denn damit demonstriert Lula erneut, was er unter einer eigenständigen Außenpolitik versteht: Das Recht, nationale Interessen höher zu stellen als die Rücksicht auf seine „strategischen“ Partner in den USA oder in Europa. Wie seine linken Kollegen aus Südamerika zieht Lula der Dominanz des Westens eine multipolare Weltordnung vor.

Mit Teheran teilt Brasília das Anliegen, die Atomkraft zu friedlichen Zwecken nutzen zu dürfen. Und gemeinsame Geschäftsinteressen: Schon jetzt haben sich die brasilianischen Exporte in den Iran seit 2002 verdoppelt. Zuletzt hatte Lula auch den israelischen Staatschef Schimon Peres und den Palästinenserpräsidenten Mahmud Abbas empfangen. Für eine Rolle als Friedensstifter im Nahen Osten, die sich Brasilien wünscht, mag es noch zu früh sein. Glaubwürdiger als jene westlichen Mächte, die einseitig auf der Seite des Atomstaats Israel stehen, ist es allemal. Einseitiger Druck auf den Iran wirkt kontraproduktiv, wie die dortige innenpolitische Entwicklung der letzten Jahre belegt.

Berechtigt ist allerdings der Einwand brasilianischer Menschenrechtler, die in einer Aufwertung Ahmadinedschads das falsche Signal für die Verfolgten des Mullahregimes sehen. Öffentlich beschränkte sich Lula hierzu auf diplomatische Pflichtrhetorik. Leider spricht auch wenig dafür, dass er dem Iraner hinter verschlossenen Türen ins Gewissen geredet hat. Nur: So funktioniert Realpolitik weltweit. Der Pragmatiker Lula macht da keine Ausnahme.