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Archiv-Artikel

GELD FÜR „KATRINA“-OPFER IST WICHTIGER ALS BUSHS STEUERGESCHENKE Agenda vom Sturm weggefegt

30 bis 50 Milliarden US-Dollar wollte US-Präsident George W. Bush gestern beim Kongress als zweite Tranche der Hilfe für die vom Hurrikan „Katrina“ betroffenen Regionen beantragen. Bereits letzte Woche waren 10,5 Milliarden Dollar bereitgestellt worden.

50 Milliarden Dollar – das ist selbst für US-Verhältnisse eine Menge Geld. Doch es ist wenig angesichts der bis zu 150 Milliarden Dollar, die nach bisherigen Schätzungen noch in diesem Jahr benötigt werden, um die Folgen von „Katrina“ zu bewältigen. Wenn Bush die zweite Tranche beantragt, wird der Kongress diese im Eilverfahren bewilligen. Daran kann es nach der erhitzten Debatte der letzten Tage keinen Zweifel geben.

Doch was nicht nur den Opfern, sondern auch dem in der Kritik stehenden US-Präsidenten als Soforthilfe dienen soll, bringt dessen mittel- und langfristige Agenda durcheinander. Immerhin wollte Bush eigentlich im kommenden Jahr jene Steuersenkungen unbegrenzt verlängern, die er 2001 und 2003 durchsetzte. Das allein kostet ihn jährlich rund 70 Milliarden Dollar. Auch hatte sich der Präsident vorgenommen, das Rekorddefizit von 412 Milliarden US-Dollar (2004) in seiner zweiten Amtszeit zu halbieren. Und schließlich will er den Irakkrieg weiter finanzieren, der mit monatlich 5,9 Milliarden US-Dollar zu Buche schlägt.

All das zusammen geht nicht, und es ist kaum zu erwarten, dass die Senatoren und Abgeordneten – die im Gegensatz zu Bush wiedergewählt werden wollen – sich darauf einlassen könnten, die Hilfe für die Hurrikanopfer oder die Finanzierung für die kämpfende Truppe zugunsten der Steuergeschenke für die Reichen zusammenzustreichen.

Es ist also mehr als wahrscheinlich, dass „Katrina“ auch die Steuerstreichungen hinwegfegen wird, mithin Bushs ersten innenpolitischen Coup aus der Anfangszeit seiner Regierung. Wenn Bush wenigstens jetzt politisches Gespür beweist, wird er es nicht dem Kongress überlassen, einen solchen Vorschlag durchzusetzen, sondern ihn selbst machen. Nur: Bei diesem Präsidenten weiß man nie. BERND PICKERT