GEHT’S NOCH : Fastenzeit
KARNEVAL IST VORBEI, UND JETZT MACHEN ALLE SO EINEN AUF DETOX – OHNE ALKOHOL, OHNE SEX, OHNE FACEBOOK
Saufen, saufen, fressen und ficken“, grölte die Karnevalskehle Mitte der Woche ein letztes Mal mit Leibeskraft. Ach, war das schön: Völlerei und ungehemmter Austausch von Körperflüssigkeiten, Hedonismus aus der Spaßkanone. Doch nach dem Fressen kommt die Moral – und nach dem Feiern der Kater.
Statt diesen einfach auszuhalten, die Decke über den Kopf zu ziehen und das Brummen im Schädel zu verfluchen, entscheiden sich moralumnächtigte Menschen, ihn nun freiwillig zu verlängern. Auf 40 Tage. Sie fasten von Aschermittwoch bis Ostern.
Früher galt die indoktrinierte Bußzeit der Katholiken als lebensfeindlich, heute ist sie im Mainstream der Gesellschaft angekommen. Wie ein Geschwür fraß sie sich in den Zeitgeist und streute Ableger in unsere weltlichen Leben. Fasten fürs Karma, lautet die neue Doktrin. Also dröhnen aus allen Kanälen Verzichtserklärungen: Weniger essen, trinken, rauchen, Auto fahren, telefonieren oder facebooken! Laut einer Studie der Deutschen Presseagentur wollen 6 Prozent der Fastenden dieses Mal sogar auf Sex verzichten. Detox für die Geschlechtsorgane.
Anstelle von höher-schneller-weiter tönt es jetzt Entschlackung. Das ganze Jahr über dürfen wir tun, was wir wollen, zu billiges Essen kaufen, zu viele Abgase in die Atmosphäre blasen und Nachbars Lumpi treten – es gibt ja die Fastenzeit, den Ablasshandel mit der Menschheit.
Warum müssen diese guten, bald noch besseren Menschen zur Fastenzeit aber auch noch ihr Hirn runterfahren? Eingelullt von den Versprechungen unzähliger C- und D-Klasse-Promis, die von Lieblingsdiäten und Erweckungserlebnissen säuseln, glauben sie an diesen Reine-Seele-reiner-Körper-Mist. Die heilende Kraft des schmerzhaften Verzichts.
Nichtstun für eine bessere Welt, das kennen die Katholiken ja schon: Enthaltsamkeit statt Revolution. Ganze 40 Tage lang – und danach kann dann endlich wieder gefressen und gefickt werden. LAN-NA GROSSE