GASTKOMMENTARE: Äxte im Wald
■ In Fragen des Tropenholzhandels wandelt Bonn nun auf dem Pfad der Umweltschützer
Die Bundesregierung Arm in Arm mit den Regenwaldgruppen: Gemeinsam wird der internationale Schutz bedrohter Tropenholzarten gefordert. Das ist, was Bonn betrifft, nicht nur neu, sondern völlig überraschend. Wichtiger als dieser Erfolg aber ist ein Blick hinter die Kulissen, der die wahre Dimension der Entscheidung offenlegt. Die Bundesregierung ist in Sachen Tropenholz heillos zerstritten. Vereinfacht skizziert steht Töpfer auf der einen, Möllemann auf der anderen Seite — und Kanzler Kohl mittendrin, wie einst im brasilianischen Regenwald. Neu ist, daß sich erstmals Töpfer durchgesetzt hat. Damit hat er, möglicherweise unfreiwillig, die eigentliche Diskussion über Tropenholz erst richtig entfacht. Bonn ist bisher fast kritiklos der Argumentation der Tropenholzhändler gefolgt. Das Feuer, nicht die Axt, zerstöre den Regenwald. Daraus hat man schlicht abgeleitet, es gäbe keinen Grund, den Tropenholzhandel einzuschränken.
Jetzt legte das Umweltministerium ein Argumentationspapier vor, das aus der Feder von Regenwaldschützern stammen könnte. Danach ist in Asien der kommerzielle Holzeinschlag die wichtigste Ursache der Waldzerstörung, in Afrika immerhin noch eine bedeutende. Insgesamt sei der ökologische Schaden weit größer, als die bloße Herausnahme von ein paar Kubikmetern Holz pro Quadratmeter auf den ersten Blick vermuten lasse. Diese mit Quellen belegte Argumentation begründet für das Töpfer-Ministerium die Notwendigkeit, sieben bedrohte Tropenhölzer unter Schutz zu stellen. Dabei kann es wohl kaum bleiben. Mit Töpfers Argumentation läßt sich ebenso gut ein Tropenholzboykott insgesamt rechtfertigen. Denn wer die Mörder des Waldes kennt, ihnen aber nur sieben Hölzer streitig macht, bleibt unglaubwürdig. Er verhält sich wie jemand, der einem Bankräuber ein Bußgeld verpaßt, weil dieser seinen Fluchtwagen im Halteverbot geparkt hat.
Noch aus einem anderen Grund wird Bonn nicht umhin kommen, über weitergehende Entscheidungen als die jetzt getroffene zu reden. Weil sie erstmals die Linie der Holzhändler verlassen hat und die der Umweltgruppen ansteuert, gibt es kein Zurück mehr. Denn schon die Unterschutzstellung der sieben Tropenhölzer kam unter massivem öffentlichen Druck zustande. Zuletzt hat sich das Kanzleramt selbst eingeschaltet und die populäre Lösung durchgedrückt. Die tiefgreifenden Differenzen zwischen Möllemann und Töpfer bleiben trotzdem bestehen. Für solche Fälle ist der Bundeskanzler mit seiner Richtlinienkompetenz ausgestattet. Im Vorfeld der UN-Umweltkonferenz in Rio würde Kohl einiges riskieren, würde er sich in Zukunft wieder beim Wirtschaftsministerium unterhaken. Werner Paczian
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