GASTKOMMENTAR: Vereint dank Olympia?
■ Zu den Entspannungsgesten in Korea
Kommt mit dem beabsichtigten Nord-Süd-Parlamentariertreffen nun auch die koreanische Variante von Perestroika zum Zuge? Gelingt jetzt, 35 Jahre nach Ende des Koreakrieges, sozusagen als vorolympisches Bonbon eine Annäherung der feindlichen Brüder? Oder handelt es sich um eine auf kurzfristige diplomatische Effekthascherei bedachte Geste?
Seit dem Koreakrieg ist eine Konstante südkoreanischer Politik ein bizarrer Antikommunismus mit der Konsequenz, daß die in der koreanischen Bevölkerung nie verstummte Forderung nach Wiedervereinigung bereits als „staatsgefährdend und vom kommunistischen Norden gesteuert“ gilt. Sie läßt sich vom sogenannten „deutschen Vorbild“ leiten, der Zementierung des 38.Breitengrades als Staatsgrenze zweier Teilstaaten. Eine Konstante nordkoreanischer Politik ist indes ein wiedervereinigtes Korea unter Anerkennung der verschiedenen Systeme und Ideologien geblieben. Ein „deutsches Vorbild“ hält Pjongjang für abwegig. Deshalb verwundert es nicht, daß Nordkorea in der Frage der Wiedervereinigung die realistischeren Vorschläge unterbreitete – eine Konföderation.
Wieso geht nun Seoul auf diese langjährige Initiative Pjongjangs ein? Präsident Roh Tae Woo erhofft sich von diesem zunächst einmal folgenlosen Zugeständnis ein befristetes Paralysieren des außerparlamentarischen Widerstandes. Der nämlich hat im Rahmen seines Programms Demokratie, nationale Unabhängigkeit und Wiedervereinigung gerade letzteres in den vergangenen Wochen vehement gefordert. Schon dreimal signalisierte Seoul ähnliche Bereitschaft zur Enteisung. Doch kurz darauf obsiegte stets eine harte innenpolitische Repression. Ob sich dies nunmehr ändert, wird sich wohl erst ab dem 2.Oktober zeigen. Dann nämlich ist Olympia gelaufen und möglicherweise Business as usual angesagt.
Rainer Werning
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen