■ GASTKOMMENTAR: Zu spät für politische Vernunft
Friedliche Weihnachten werden ihm am Ende doch beschert sein. Auch der Aufstand der West-Massen bringt sein Christspiel nicht durcheinander. Und wenn auch die drei Könige aus dem West-Land nicht mehr mitspielen dürfen, die Bühne bleibt voller Statisten.
Im Ernst, Wedemeier hat nichts zu fürchten. Wer jetzt seine Liste kippen will, wie das Gejohle im West- Vorstand zu signalisieren scheint, muß einen gänzlich neuen Ressortzuschnitt bieten. Für politische Vernunft ist es aber zu spät, die hätte eher kommen müssen. Wer nach einem Erdrutsch von zwölf Prozent Stimmenverlust sich einlullen läßt, muß nehmen, wie es kommt. Der muß Arbeit und Frauen für ein Ressort halten, muß den Moloch Bau weiter unregierbar lassen, muß verteidigen, daß die Kulturabteilung zum Ministerium hochstilisiert wird und muß der staunenden Republik die Einmaligkeit der Kombination von Schulen, Hochschulen und Strafvollzug präsentieren.
Als Quintessenz des Ganzen gilt schließlich, daß man in Bremens SPD nur tumbe Frauen trifft. Recht hat die neue Auswärts-Frau, wenn sie von der Partei verlangt, den Bremer Frauenbankrott mit großer Mehrheit zu beschließen.
Die hilflose Fassungslosigkeit des Bremer Westens kann entschuldigt werden. Natürlich hat er nicht voraussehen können, daß Wedemeier seine Treuesten enttäuscht: Der Westen, das ist schließlich noch immer der zuverlässigste Urgrund der SPD. Allen geschehenen Verwüstungen zum Trotz hat man hier bis zuletzt der SPD vertraut. Als Wedemeiers Aufstieg zum Koschnick-Erben ernsthaft gefährdet war, weil ihm seine eigene politische Basis im Bremer Osten die Gefolgschaft verweigerte und sich stattdessen zu Scherf bekannte, der zum Bremer Westen zählt, hat der UB-West Klaus Wedemeier seinerzeit gerettet. Der einzige Bremer Stadtbezirk, der neben Bremerhaven damals zu Wedemeier stand. Mit Gegensolidarität zu rechnen, schien keine Überheblichkeit zu sein.
Nun ist der Westen ganz allein und wird es auf dem Landesparteitag bleiben. Zu mehr als einem letztlich unwirksamen Denkzettel reicht es nicht.
Grobeckers Rückzug hätte, rechtzeitig und richtig gespielt, noch eine West-Trumpfkarte werden können. Doch der geht schweigend von der Bühne. Er wird schon seine Gründe haben.
Thomas Franke, Senator für Bildung, Wissenschaft und Kunst a.D.
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Mann mit Glatze
Thomas Franke
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