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GASTKOMMENTARIgnoranz, Abwarten, Gleichgültigkeit

■ Der nahe und grausame Krieg auf dem Balkan macht uns seltsam verhalten

Ausgerechnet gegen die Flüchtlinge, die aus dem grausamen Krieg in Bosnien-Herzegowina fliehen, wird die Festung Europa dichtgemacht. Menschen werden abgewiesen, und auch wenn 5.000 aufgenommen werden, ist das nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein. Ein Jahr Krieg im ehemaligen Jugoslawien — und immer noch gibt es hier Ignoranz, Abwarten, Gleichgültigkeit. Dies betrifft die Regierungen, denen Säbelrasseln und Militäreinsatz wichtiger sind als eine angemessene humanitäre Hilfe. Dies gilt für die Wohlfahrtsverbände, die zwar die Aufhebung der Visa-Pflicht für Flüchtlinge fordern, aber nur sehr zögerlich hier Unterkünfte zur Verfügung stellen. Dies gilt für viele in den Friedensinitiativen und bei den Linken und Alternativen, die beim Golfkrieg schnell und zahlreich auf die Straße gingen, aber bei diesem so nahen und so grausamen Krieg seltsam verhalten sind. Und das, obwohl doch die größte Zahl von Flüchtlingen in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg eine Herausforderung ist, der mit offenen Grenzen und offenem Herzen begegnet werden müßte?

Die jahrelange Hetze gegen die angeblichen „Scheinasylanten“ — hat sie so zur Entmenschlichung geführt, daß auch Menschen, die aus einem Krieg fliehen, die Grenzen versperrt werden? Die Grundidee dieses Krieges, ein fanatischer völkischer Nationalismus, hat in unserem Land zur größten Katastrophe des Jahrhunderts geführt — ist das schon vergessen? Flüchtlinge aus Ländern Ost- und Südosteuropas beklagen sich schon immer, daß wir über die Geschichte ihrer Länder viel zu wenig wissen. Schürt das die verächtliche Haltung gegen „die auf dem Balkan, die sich immer die Köpfe einhauen“?

Man hat es wissen können: Die jahrelange Verletzung von Menschenrechten gegen die albanische Bevölkerung im Kosovo hat hier nur wenig bewegt. Oder die Äußerungen des kroatischen Präsidenten Tudjmans in Büchern schon 1989, Völkermord sei in bestimmten historischen Situationen legitim? Sollen die Kroaten und Slowenen als „demokratisch“ gelten, die Muslims aus Bosnien die „neuen Juden Europas“ werden, die an allen Grenzen abgewiesen werden? Es ist höchste Zeit, die Schranken in Köpfen und Herzen der Menschen hier zu durchbrechen und — endlich — großzügig humanitäre Hilfe an alle Kriegsflüchtlinge und alle betroffenen Länder zu erteilen. Lili Schlumberger-Dogu

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