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GALLENSTEINABM-Kunst, dritte Runde: "Lieber der erste im Dorf als der zweite in Rom!"

■ Gastkolumnist Prof. Jürgen Waller, Rektor der Kunsthochschule, entgegnet Angriffen aus der Bremer Kunstszene (vgl. taz vom 3.11.)

Jürgen Waller hat in einem „Prinz“-Interview (11/90) den Bremer ABM-KünstlerInnen vorgeworfen, sich träge vom Staat aushalten zu lassen. Die taz sprang, wie immer, den Beleidigten bei und gab ihnen Raum zum Kontern (3.11.). Deren Einschätzung, grob: Buh! Ausgerechnet der! Nun erläutert Jürgen Waller bei uns seine Position. Widerreden in alle Richtungen sind, wie immer, willkommen.

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Foto von dem

Glatzkopf mit

Brille

Auf den Auszug eines mehr als einstündigen Gesprächs mit dem „Prinz“ einzugehen, lohnt hier nicht. Ursprünglich sollte ich nur kurz zur Bremer Ateliersituation befragt werden. Daraus ergab sich ein längeres Gespräch zu meiner Einschätzung des Bremer Kunstgeschehens, in welchem auch die zitierten Worte fielen. Die taz befragte daraufhin Bremer Künstler, welche dann auch ihrem Unmut freien Lauf ließen.

Aber zuerst zum Ausgangspunkt der Diskussion. Thema Ateliers in Bremen: Es müssen Ateliers in dieser Stadt zur Verfügung gestellt werden, und zwar damit auswärtige Künstler, die auf Zeit hierher kommen, darin arbeiten können. Sie geben der Stadt Impulse, auf die sie angewiesen ist. Des weiteren, ich denke an das Künstlerhaus Bethanien in Berlin, sollen diese Ateliers Bremer Künstlern zur Verfügung stehen zur Realisierung von Projekten für einen längeren Zeitraum. Dies ist demokratisch und fordert Initiative, von der die Kunstszene profitiert.

Die Studenten unserer Hochschule sind nicht schlechter als die der anderen Kunstakademien. Dies zeigt die Resonanz bei internationalen Wettbewerben. Solche Ergebnisse, und ich habe oft in Jurys gesessen, lassen sich leider sonst bei den Künstlern Bremens nicht oder nur sehr vereinzelt vermelden.

Herr Lapuks bekundet in der taz, durch ABM könne er Kunst machen, sonst müsse er jobben (arbeiten). Ich selber habe bis zu meinem 32. Lebensjahr gearbeitet und gemalt (ob es Kunst ist, weiß ich nicht), es hat mir nicht geschadet. Und ich habe mich durchgesetzt. Auch die Künstler wählen die Freie Marktwirtschaft, und wenn sie nichts verdienen, rufen sie nach dem Staat. Wenn ich in Frankreich (damals brauchte man noch eine Arbeitserlaubnis, wenn man jobben wollte) ein paar Äpfel und Croissants geklaut habe, um satt zu werden - ach du lieber Himmel, wer hat das noch nicht getan!

Nochmal zu den Studenten: Ich kann mich nicht daran erinnern, jemals, wie mir vorgeworfen wird, ein Bild abgehängt zu haben. Im Gegenteil, ich habe mehrere Wandarbeiten in der HKM, die zerstört werden sollten, vor eben dieser Zerstörung gerettet.

Und wieviele Studenten ich aufnehme, ist einzig und alleine meine Entscheidung.

Wo waren eigentlich die Bremer Künstler beim Kulturkampf in der Eislaufhalle? Da ging es um die Erhöhung des Kulturetats von 0,8 auf drei Prozent. Aber kämpfen, wenn man denn ABM und Soziale Künstlerförderung bekommt, ist unbequem und erfordert Einsatz.

Ich fordere seit langem eine Ankaufskommission (mit einem Etat von mindestens 500.000 Mark im Jahr), in welcher auch die Museumsleiter Stimmrecht haben sollten. Fünfzig Prozent dieses Etats sollen im Bundesland Bremen ausgegeben werden, natürlich nach Qualitätskriterien.

Zur direkten Künstlerförderung muß das Geld vom Kultur- und nicht vom Sozialsenator kommen. Direkte Künstlerförderung heißt: Zuschüsse zu Katalogen, damit kann man werben, das ist das Bleibende eineer Ausstellung. Transportzuschüsse sind wichtig, um Bilder und Plastiken vernünftig zu transportieren, sie zu schützen, denn es geht auch um die Kunst. Künstler fördert man zu allererst durch Schaffung von Wettbewerbsmöglichkeiten.

Haben die Bremer Künstler jemals über die Struktur des Neuen Museums Weserburg eine Diskussion gefordert? — Man wird ja dort sowieso nicht hängen, was geht's einen an? In keiner anderen Stadt wäre ein solches Unternehmen am BBK (Berufsverband Bildender KünstlerInnen, d.Red.) vorbeigelaufen.

Wo war der Kampf der Bremer Künstler, als der Etat für „Kunst im öffentlichen Raum“ auf Null zurückgedreht wurde? Es gibt ja ABM. Kein Wettbewerb. Antrag für „Projekt XY“, die Behörde entscheidet, ein Jahr Geld, aus. So einfach ist das. In Holland hat man ABM abgeschafft, als man eines Morgens aufwachte und weit und breit keinen Künstler mehr entdeckte.

Noch ist Bremen nicht verloren, es gibt genug junge Talente.

A propos Dorfkünstler: Schon Cäsar sagte „Lieber der erste im Dorf als der zweite in Rom“. Baselitz wohnt in Derneburg.

Bin ich denn, wie es heißt, ein „Zuchtbulle im Mastbetrieb“? Welcher Bremer Künstler wäre das nicht gerne? Neid.

Nur so nebenbei: Die Familie Waller finanziert einen Skulpturenpark internationaler Bildhauer, in welchem auch Bremer Künstler vertreten sind. Die Gelder dazu verdient man glücklicherweise nicht beim Staat.

P.S.: Die Existenz der GAK (Gesellschaft für Aktuelle Kunst, d.Red.), von Künstlern gegründet, in deren Koordinationsausschuß fünf Künstler (davon drei Mitglieder des BBK) sitzen, ist bedroht. Wo bleibt die Stimme des Bundes Bildender Künstlerinnen und Künstler und sonst der Bremer Künstler? Jürgen Waller

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