Fußfessel statt Gefängnis: Modellversuch in Baden-Württemberg
75 Gefangene dürfen im kommenden Jahr einen Teil ihrer Strafe zu Hause absitzen. Sie nehmen an einem Test mit elektronischen Fußfesseln teil.
STUTTGART dpa/ap | Ein bundesweit einmaliges Modellprojekt "elektronische Fußfessel" soll im kommenden Jahr mit 75 Gefangenen in Baden-Württemberg starten. Am Versuch beteiligen sich voraussichtlich ab Mitte 2010 Häftlinge aus den Justizvollzugsanstalten Freiburg, Mannheim, Rottenburg und Ulm. Dies gab Justizminister Ulrich Goll (FDP) auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur dpa in Stuttgart bekannt. Das Land will unter anderem 25 Freigänger einbeziehen und 25 Häftlinge, die wegen einer nicht bezahlten Geldstrafe eine Ersatzfreiheitsstrafe verbüßen. Statt im Gefängnis sitzen sie mit einer Minisender-Manschette in einer Art Hausarrest.
Der Modellversuch wird wahrscheinlich ein Jahr dauern, anschließend folgt die Auswertung. Die Betreuung übernehmen Sozialarbeiter. Dies müssen nicht Beamte sein. "Die Verantwortung verbleibt natürlich beim Staat", sagte ein Ministeriumssprecher.
Baden-Württembergs Datenschutzbeauftragter Jörg Klingbeil meldete Bedenken an: Die elektronische Aufsicht sei ein erheblicher Eingriff in das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Probanden, zumal wenn ein umfassendes Bewegungsbild des Gefangenen erstellt werde.
In Hessen wird die elektronische Fußfessel schon länger eingesetzt. Dort wird der Minisender aber nicht bei Strafgefangenen angewandt, sondern bei Personen, die bereits auf Bewährung entlassen sind. Mit dem Sender kann festgestellt werden, ob sich der Träger zu den vereinbarten Zeiten in der Wohnung aufhält oder beispielsweise abwesend ist, weil er arbeiten muss. Es besteht kein Anrecht auf Freizeit außerhalb der Wohnung.
Der baden-württembergische Modellversuch wird vom Max-Planck- Institut für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg wissenschaftlich begleitet. Dieses hatte auch einen Modellversuch in Hessen begleitet.
Goll will die Fußfessel im Südwesten als Alternative für Ersatzfreiheitsstrafen einführen, die für Geldstrafen verhängt werden. Auch Gefangene, die auf ihre Entlassung vorbereitet werden, sollen künftig die Manschette tragen können. Voraussetzung ist, dass der Gefangene eine Wohnung und Beschäftigung hat und dass er und seine Mitbewohner mit der elektronischen Aufsicht einverstanden sind. Zu Beginn werden ein Vollzugsprogramm und der Tages- und Wochenablauf festgelegt. Bei Verstößen kann verwarnt oder die Freizeit außerhalb der Wohnung gestrichen werden.
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