piwik no script img

Fußballfans verkaufen sichErsteigerte Begeisterung

Bayreuther Fußballfans feuern den Regionalligisten Viktoria Aschaffenburg an. Via Internetauktion haben sie ihre Vereinstreue für ein Spiel verkauft. Jetzt treffen Wein- auf Bietrtrinker.

Was haben diese Fans fürs Fähnchenschwingen bekommen? Bild: ap

Heute steigt das große Spiel für Klaus Liesecke. Stolz erzählt er, dass sich Sat.1, der Bayrische, der Hessische Rundfunk sowie TV Oberfranken für die Regionalligapartie zwischen Viktoria Aschaffenburg und Hessen Kassel angesagt hätten. Letztlich sind sie alle seinetwegen da. Liesecke ist kein Ballvirtuose. Der 51-jährige Aschaffenburger Spediteur hat bei einer Internetauktion für 1.810 Euro eine Busladung mit Fans der SpVgg Bayreuth ersteigert, die jetzt die Aschaffenburger anfeuern sollen.

Das mag sich nach Wucher anhören. Immerhin aber reisen die eifrigen Oberfranken heute statt mit einem gar mit zwei Bussen und einigen privaten Autos nach Unterfranken an. Und der mediale Werbewert, den diese Auktion einbrachte, dürfte sowieso den Kaufwert übertreffen. "Ich bin in aller Munde", sagt Liesecke. Geschäftskunden von überall her hätten sich bei ihm wegen der Geschichte gemeldet. Und 15 Journalisten - er weiß es ganz genau - hätten bei ihm angerufen.

Auf Publicity habe er gehofft, gibt er zu. Aber nicht für sich, wie er betont, sondern für seinen klammen Heimatverein Viktoria Aschaffenburg, der immer noch nach einem Hauptsponsor suche. Zum anderen wollte er der SpVgg Bayreuth helfen, seiner zweiten Fußballliebe, um die es noch schlimmer bestellt ist. Der Insolvenzverwalter hat beim oberfränkischen Oberligisten das Zepter übernommen. So kamen die Fans dort auf die Idee der "käuflichen Liebe". Für Geld boten sie sich den Hardcore-Freunden an. "Echte deutsche Fankultur hautnah", hieß es in ihrer virtuellen Anzeige.

Der auch in Bayreuth aufgewachsene Liesecke bestätigt, dass die Bayreuther Fans besonders leidenschaftlich seien. Nur vor dem verhassten Rivalen Bayern Hof haben sie große Berührungsängste. Liesecke erzählt, die Bayreuther Anhänger hätten ihn gebeten, möglichst bis zum Ende mitzubieten, um nicht vom Erzfeind "gekauft" zu werden.

Liesecke geht es aber noch um etwas anderes. Das Aschaffenburger Publikum, das Mitte der Achtzigerjahre noch für gigantische Stimmung gesorgt hätte, sei zu leise geworden, beklagt er. "Die sollen einmal von den Bayreuthern vorgemacht bekommen, wie auch eine kleine Gruppierung für Stimmung im Stadion sorgen kann."

Die Fangruppen der beiden Vereine hätten sich wegen des Spiels am Wochenende schon zusammengetan, weiß Liesecke. Aber er ist skeptisch. Am Telefon höre sich alles immer einfacher an. Man müsse das Zusammentreffen von Unterfranken und Oberfranken erst einmal abwarten. Erstere seien Weintrinker und von Natur aus mürrisch, die anderen seien zufriedene Biertrinker. Nahe der Zone im Randgebiet aufgewachsen, hegten sie eh nur bescheidene Ansprüche. Das würde auch die unterschiedlichen Stadionatmosphären erklären.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!