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Fußballfan geschlagenPrügelpolizist verurteilt

Das Kriminalgericht verurteilt einen Polizisten zu einer Bewährungsstrafe. Er hatte nach dem Spiel Union vs. St. Pauli eine Frau schwer verletzt. Anfangs war sie selbst angeklagt gewesen

Am Ende war es eine eindeutige Sache: Beinahe alle Indizien sprachen dafür, dass ein Polizeibeamter die 29-jährige Anne H. während eines Einsatzes ohne Grund mehrfach ins Gesicht geschlagen hat. Am Freitagabend verurteilte ihn das Kriminalgericht Moabit wegen vorsätzlicher Körperverletzung im Amt zu zehn Monaten Freiheitsstrafe. Die Bewährungszeit beträgt drei Jahre. Damit blieb das Gericht knapp unter der Grenze von zwölf Monaten Freiheitsstrafe, ab der der Polizeibeamte seinen Job verloren hätte.

"Das Wichtigste ist, dass er verurteilt wurde - das ist ein Zeichen der Hoffnung", sagte Sven Richwin. Der Anwalt der Geschädigten, die in dem Prozess als Nebenklägerin auftrat, misst dem Fall auch symbolische Bedeutung bei. Schließlich würden Polizeibeamte nur in seltenen Fällen für Vergehen im Einsatz zur Rechenschaft gezogen, so Richwin.

Der Prozess hat eine lange Vorgeschichte. Die Berlinerin Anne H. hatte im April 2010 als Fan des FC St. Pauli ein Spiel gegen den 1. FC Union Berlin in Köpenick besucht. Nach dem Spiel kam es vor einer Tankstelle zu Tumulten zwischen mehreren Polizeibeamten der 21. Einsatzhundertschaft, in der auch der Angeklagte Dienst verrichtete, und einigen Fußballfans. Bei dem Zusammenstoß mit dem Polizisten trug Anne H. dem Arztbericht zufolge zwei blaue Augen, vier gesplitterte Zähne und Gesichtsschwellungen davon und musste sich einer Nasenbein-Operation unterziehen. Dennoch stand die 29-Jährige 2010 zunächst selbst wegen Körperverletzung an dem Polizeibeamten vor Gericht. Kurz vor dem ersten Prozess tauchte jedoch ein Video auf, das den Polizisten stark belastete. Die 29-Jährige wurde freigesprochen. Stattdessen nahm die Staatsanwaltschaft das Verfahren gegen den Polizeikommissar auf.

Zu Beginn des Prozesses Ende November hatten Aussagen von Zeugen beider Seiten - also Polizisten und Fußballfans - den Verdacht erhärtet, dass der Polizist mindestens einmal, vielleicht sogar zweimal zugeschlagen habe. Unklar war bis zum letzten Verhandlungstag, ob sich der Beamte, wie er angab, nur gegen einen Würge-Angriff gewehrt hatte. Und ob er, wie Anne H. berichtete, mehrmals zuschlug. Am Freitag waren deshalb auf Wunsch der Verteidigung noch einmal drei Polizisten als Zeugen geladen. Sie konnten wenig zur Klärung der Fragen beitragen.

Da die Beweislage letztlich relativ eindeutig gegen den Angeklagten sprach, rechnete man am Freitag mit einer Entschuldigung von Seiten des Polizisten. Diese kam später auch, doch in der ersten Stellungnahme des Beamten machte sie nur einen kleinen Teil aus. Stattdessen legte er dar, dass er aus Notwehr zweimal zugeschlagen habe und durch den angeblich vorausgegangenen Würgeangriff der jungen Frau noch Tage später Halsschmerzen gehabt habe.

"Diese Einlassung war äußerst dünn. Gleichzeitig hat der Angeklagte die Chance verpasst, einen Schritt auf meine Mandantin zu zu machen", stellte Anwalt Richwin fest. Der Richter, der in seiner Urteilsbegründung den "durchweg konsistenten, glaubwürdigen und detailreichen Aussagen" Anne H.s folgte, bezeichnete die Schrift als widersprüchlich zu Beweismitteln und gar früheren Darstellungen der Verteidigung. "Wir haben aber den Eindruck erhalten, dass der Angeklagte durch das Verfahren beeindruckt war und ähnliche Aktionen nicht mehr zu erwarten sind", begründete der Richter schließlich das relativ geringe Strafmaß.

Das letzte Wort im Saal hatte der Polizist selbst: "Ich bedauere die Verletzungen, die ich Ihnen zugefügt habe, es tut mir wirklich leid", sagte er zu Anne H. Sie will nun auf Schmerzensgeld klagen, zusammen mit den geschätzen 3.000 bis 4.000 Euro ärztlicher Behandlungskosten kommt wohl noch einiges auf den Polizisten zu. Ob letzterer in Berufung geht, ist noch offen.

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14 Kommentare

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  • D
    Delta128

    Erfreulich, dass endlich überhaupt mal jemand verurteilt wurde. Weniger erfreulich, dass für derart schwere Verletzungen nur eine so geringe Strafe ausgesprochen wurde. Hätte ein Bürger einen Polizisten so zugerichtet, wäre es über ein Jahr gewesen. Aber der aaaaaaaaaaaaaarme Täter, ÄH, Polizist, könnt ja sonst seinen Job verlieren. JA NATÜRLICH, solche Leute haben im Polizeidienst ja auch nichts verloren!!!!!

     

    Leider geht das nicht immer so aus. In München wird z.B. seit 2007 an einem Fall von Polizeigewalt (auf beim Fußball, das sogenannte Ama-Derby) "ermittelt", mit allem Drum und Dran, verschwundenen Beweismitteln, Verschleppung, ungenauen Ermittlungen, etc..........

  • B
    Blaze

    Das Argument was ich oft lese "Der Polizist wäre am Wochenende lieber bei seiner Familie anstatt sich mit Fussball-Fans anzulegen" ist auch an den Haaren herbeigezogen. Die Beamten die dort und zu Demos gehen sind freiwillig dort. Sie haben sich zur BFE (Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit) oder in Bayern zu USK (Unterstützungskommando) gemeldet. Bevor man dort landet geht der Polizist die normale Polizistenlaufbahn durch. Ein Polizist der dann zur BFE oder zur USK geht weiß wo er dann eingesetzt wird. Diese Einheiten sind speziell für solche Einsätze vorgesehen und haben noch mal zusätzlich eine Ausbildung gemacht. Dazu gehört auch die Deeskalierung welche viel zu wenig angewandt wird. Man hat oft das Gefühl das es Cops sind die deswegen dort hingehen um sich unter dem Deckmantel des Staates legal rum zu prügeln. Und wenn man bedenkt mit was für Sachen die dort noch ausgerüstet sind, dann wiegt so ein Vorfall noch viel schwerer. Es kann auch nicht das ein Fussball-Fan oder Demo-Teilnehmer seine Menschenrechte abgeben muss. Man wundert sich über Gewalt gegen Cops, aber die Ursachen werden nie wirklich erforscht. Und wenn man dann noch von einem Polizeigewerkschaftler die Heulerei anhört, kommt einem die Galle hoch. Ich hoff inständig das mal jemand auf die Idee kommt die Vorgänge neutral zu analysieren. Die Polizei bei Fussballspielen oder Demos, sind eben nicht immer die netten Herren von nebenan sondern einfach nur Verbrecher in Uniform. Und das noch legalisiert- unter dem Deckmantel des Staats und geschützt durch die eigenen Kollegen (auch genannt Corps-Geist). Auch die Medien sollten endlich mehr recherchieren als nur Pressemitteilungen der Polizei zu kopieren. Gerade Journalisten machen es sich heut zu Tage viel zu einfach. Da reicht es auch nicht wenn man mal nebenbei über eine Verurteilung eines Polizisten berichtet. Da ist in der Vergangenheit zuviel Porzellan zu Bruch gegangen. So long.... Ich hoff das das Opfer keine Bleibeschäden haben wird.

  • MA
    Michael Amrus

    "Am Freitag waren deshalb auf Wunsch der Verteidigung noch einmal drei Polizisten als Zeugen geladen. Sie konnten wenig zur Klärung der Fragen beitragen. "

     

    Erinnert mich an die drei Affen - nix sagen - nix hören - nix sehen.

  • W
    waldzwerg

    es tauchte ein video auf.na so ein glück für die frau ,sonst wäre der prozeß in anderen bahnen verlaufen.erschreckend ,daß ohne dieses video der bürgerin nie geglaubt worden wäre.das ist das schlimme daran.

  • M
    Maria_Weber

    Also die Strafe für den Polizisten muss Knast bedeuten. Da geht hoffentlich das Opfer in Berufung!

    Schulfach "Respekt vor Polzisten!...nein! Den Schülern muss an Hand von vielen Beispielen gezeigt werden, dass die Polizei der Feind ist. Beispiele von sinnloser Polizeigewalt helfen da sehr. Im Sportunterricht muss gelehrt werden, wie sich zum Beispiel einer Festnahme entzieht. An meiner Schule wurde das auf Wunsch der Schüler eingeführt.

  • O
    Otto

    ich habe das gefühl, dass einige polizisten den bürger als störrfaktor empfinden. nicht nur beim fussballspiel: hier landete ich mit meinem 2-jährigen sohn auf dem nachhauseweg mit dem rad in den mob mit betrunkenen, pöbelnden fussballfans und kam nicht weiter. die polizei hatte die strasse gesperrt. eine freundliche bitte an eine polizistin (ich habe begriffen, dass man mit freundlichkeit viel weiter kommt), mich bitte durchzulassen (mein sohn weinte mittlerweile vor angst), wurde verneint. auf meine frage, auf welchem weg ich denn ohne sperrung nach hause käme, antwortete diese mir patzig, das müsse ich doch viel besser wissen, ich wohne doch schliesslich hier.

    als ich neulich eine gefundene geldbörse bei der polizei abgegeben habe, wurde ich dort auch eher wie ein dieb als wie der finder behandelt (incl. aufnahme der personalien). ich erwartete zwar nicht, dass man vor dankbarkeit auf die knie fällt, aber die die mürrisch unfreundliche art fand ich extrem irritierend. das nächste mal würde ich das portemonaie ganz sicher in den nächsten postkasten werfen.

    das sind nur 2 beispiele der jüngeren vergangenheit.

    was ich sagen will: auch im ganz normalen alltag habe ich fast ausschliesslich negative erfahrungen mit der polizei gemacht. als "freund und helfer" sehe ich polizisten schon lange nicht mehr. schade eigentlich.

  • Z
    Zoffel

    Hallo "egal“

     

    Sicherlich, über Form und Ausdruck lässt sich streiten, dass ich aber ausschließlich Blödsinn verzapfte, will ich nicht gelesen haben.

    So sind Haftstrafen, siehe Schönfließ-Urteil, nicht zumutbar und gerade letzte Woche forderte ein Gewerkschafter der Polizei die Einführung des besagten Schulfachs. Insofern war zu mindest ein Teil nicht ganz so spaßig gemeint, wie Du es verstanden hast.

     

    Hi-Hi Zoffel

  • H
    Huskieberlin

    An Verdeckt: Eigentlich geht es hier in keinster Weise um einen Fußballclub, sondern um ein Polizeibeamten der einen Fußballfan dreimal mit der Faust ins Gesicht geschlagen und Ihr schwerste Verletzungen zugefügt hat. Anschließend wurde das Opfer noch angezeigt. Diese Situation hätte bei jedem Fußballspiel, bei jeder Demo, oder auf der Straße passieren können. Es gab in diesem Falle keine Auseinandersetzungen mit der Polizei! Es gab nur Leute die sich über das Verhalten des Schlägerbeamten aufgeregt haben, diese wurden anschließend von anderen Polizeikräften auf Distanz gahalten, während der Schläger ihr nochmals in Gesicht schlug und sie anschließend festnahm. Dies ist ganz klar zu sehen und ich kenne das Video!

     

    Das schlimme daran ist aber, dass in über 95% der Fälle die Ermittlungsverfahren gegen Polizeibeamte eingestellt werden (Republikanischer Anwaltinnen- und Awaltsverein und Amnesty International). Genauso ist es auch in diesem Fall passiert, ohne das Video wäre das Opfer verurteilt worden und der Täter hätte sich noch für seine Schläge bestätigt gefühlt.

    Das es zu dieser Wendung gekommen ist hat hauptsächlich mit dem solidarischen Verhalten der anderen Anwesenden zu tun. Eine Person hat sofort vor Ort Anzeige erstattet, ein anderer hat das Video weiter gereicht, andere haben sich als Zeugen zur Verfügung gestellt. Zeugen Absprachen, die in geschlossenen Einheiten oft üblich sind, waren durch diese Umstände nicht möglich.

    Freue mich vor allem für Anne und hoffe das anderen so ein Martyrium über 1 1/2 Jahre ersparrt bleibt. Vor allem hoffe ich aber auch, dass die 8 Polizeizeugen und der Schläger hieraus gerlernt haben und vor dem prügeln ihren Kopf einschalten.

  • V
    -verdeckt-

    Wie kommen die eigentlich auf die Idee zu diesem Thema ein Bild eines Fans ins Schwarz-gelb zu hinterlegen??

     

    Hier ging es um Pauli-Union... da gabs sicherlich auch einige Bilder vom Spiel.

     

    Hier wird man ja direkt auf einen -negativ in den Medien dargestellten- Verein des Ostens aufmerksam gemacht und versucht die Fans, die Auseinandersetzungen mit der Polizei haben in eine Schublade zu legen...

     

    kann ich nicht nachvollziehen

  • E
    egal

    An Zoffel: Das hier ist keine Witzseite !Soviel Blödsinn auf einmal habe ich schon lange nicht mehr gelesen.

  • S
    sigibold

    Ich finde es schade, dass bei der Polizei diese falsche Kumpanei herrscht auf Deubel komm raus seinen Kollegen zu decken. Das der einzelne Beamte, der sich da vergriffen hat, versucht sich rauszureden ist nachvollziehbar. Auch wenn es nicht gerade von Zivilcourage zeugt nicht zu seinen Entgleisungen zu stehen. Polizeikollegen die einen Scläger decken und als Verhöhnung noch dafür sorgen, dass das Opfer angezeigt wird, zerstören das Vertrauen in die Polizei und das ist ja leider sowieso nicht so gut wie es sein sollte.

    Ich möchte hier keine Polizeischelte betreiben. Ich kann durchaus nachvollziehen, das der Kamm manchmal schwillt, wenn man z.B. bei Demos oder Fussballevents derart angepöbelt wird. Sehr gelegentlich auf Demos bin ich doch auch erschrocken, wie die Polizei auch durchaus auch grundlos übelst angepöbelt wird. Zumindest in meinen jüngeren Jahren hätten solche verbalen Attacken mir gegenüber sehr leicht zu körperlichen Verweisen meines Gegenübers geführt. Wenn aber einem Polizisten mal die Sicherung durchbrennt, sollte er dazu stehen. Die Sache wird geahndet und wenn es bei einem einmaligen Vorgang bleibt, kann man auch Milde walten lassen. Ein Polizeibeamter muss sich immer vor Augen halten, dass er Kraft seines Berufes das Gewaltmonopol das Staates beansprucht. Das erfordert von ihm mehr Verantwortung als von einem normalen Bürger. Dieser wiederum sollte bei Demonstrationen vielleicht gelegentlich daran denken, dass er aus eigener Entscheidung Samstag nachmittag zur Demo geht. Der Polizeibeamte ihm gegenüber wäre wahrscheinlich viel lieber zu Hause bei seiner Familie. Die Polizei ist letzlich nur der Sack auf den geschlagen wird, weil man man an die Esel im Parlament so schlecht rankommt.

     

    sigibold

  • Z
    Zoffel

    Es zeigt sich mal wieder, dass eben doch nicht alle gleich sind vor dem Gesetzt.

    Aber eine Haftstrafe wäre sowieso nicht zumutbar gewesen, schon allein, weil sich Polizisten im Gefängnis denen unterordnen müssten, die sie sonst festnehmen würde.

    So ist es nur Konsequent, wenn man Polizisten auch vor Strafen schützt, die das Karriere Ende bedeuten würde. Vielleicht hätte sich der Beamte, bei seiner neuen Stelle ja auch unterordnen müsste, was ja nicht geht. Kann man wohl nix machen, außer zu prüfen ob es nicht doch sinnvoll wäre ein neues Schulfach zum Thema: "Respekt vor Polizisten" einzuführen.

  • W
    Weinberg

    Die Freiheitsstrafe von zehn Monaten mutet etwas seltsam an, denn mit zwölf Monaten wäre wirklich ein Zeichen gesetzt worden.

     

    Jetzt sollte die Geschädigte in einem Zivilverfahren den schlagwütigen Polizeibeamten aber richtig zur Kasse bitten!

  • B
    beobachter

    und wieder zeigt sich das uniformierte in der BRD gewalttäter nie ins gefängsnis gehen.

    Ist deshalb gewewalt gegen polizisten legitim?