Fußball: Sehnsucht nach Größe
Blonder Engel oder streitlustiger Quadratschädel: Bernd Schuster, noch Trainer beim FC Getafe, strebt ins große Trainergeschäft. Real Madrid will ihn haben.
GETAFE taz Interviews mit Bernd Schuster beginnen oft damit, dass er sagt, er habe keine Lust, ein Interview zu geben. Vom Trainingsplatz des FC Getafe zu den Umkleidekabinen sind es fünf Minuten zu Fuß, die Stollen von Schusters Fußballschuhe klacken auf dem Asphalt, während er erzählt, was für "bittere Interviews" er unlängst geben musste; also nicht schon wieder. Das Gespräch kommt auf die spanische Sportpresse, irgendwie landet es bei seinem Leben in Getafe, "ich wohne ja zum ersten Mal im Hotel, aber das hat seine Vorteile: Es wird nicht eingebrochen, und ich nehme ein bisschen ab, weil ich das Hotelessen satthabe". Und innerlich fragt man sich: Ist das jetzt nicht schon ein wunderbares Interview?
In solchen Momenten ahnt auch ein Zu-spät-Geborener, der keine Erinnerungen an den großen Fußballer Schuster hat, wie dieser in den Achtzigern zum Ruf eines Rebellen ohne Grund gelangte. Ein Interview verweigern und es gleichzeitig geben: Auf absurde Art widerspenstig ist Schuster immer noch gerne. Aber solche Erfahrungen sind nur Anekdoten, die nicht den Kern seines Schaffens verbergen können. Bernd Schuster, Junge aus Augsburg, der sein halbes Leben als blonder Engel in Spanien verbrachte, offenbart sich mit 47 seriös und begabt, als Trainer in Mode. Am morgigen Samstag fordert sein Getafe den Uefa-Cup-Sieger FC Sevilla im spanischen Pokalfinale (Premiere, 21.55 Uhr) heraus, nachdem sie im Halbfinale den FC Barcelona mit 4:0 vertrimmten. Viele beachtlichere Erfolge kann es diese Saison im internationalen Fußball nicht gegeben haben. Es wurde auch Zeit, findet er.
"Bislang hatte mir der Fußball als Trainer noch gar nichts gegönnt." Nach acht Trainerjahren in der Diaspora des Fußballs von Köln bis Doneszk sehnt sich Schuster ungeduldig danach, "dass eine große Mannschaft kommt und ich mal sehe, wie das dort ist". Am Montag wird ihn Real Madrids Präsident Ramón Calderón dem Vorstand des spanischen Meisters als Trainer für die nächste Saison vorschlagen. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass Schuster den Zuschlag erhält. Zu Hause vor dem Fernseher hat er schon Real-Trainer gespielt, Spieler verschoben, Spieler gekauft; an Arbeit wird es nicht mangeln: "Diesem Real fehlt das Gleichgewicht. Links hast du nur Robinho, rechts aber vier Verteidiger, da muss man ran", sagt er.
Drei Schinkenkeulen und ein Vereinswimpel hängen in der Stadiongaststätte des FC Getafe. Die Spieler frühstücken hier neben Malern. Es ist in vielem noch immer ein beliebiger Vorstadtklub im Madrider Süden, erst im dritten Jahr seiner Geschichte erstklassig. Oft kommen nur 10.000 Zuschauer. Schuster hat Getafe im zweiten Jahr hintereinander im oberen Mittelfeld der Liga etabliert. Es ist umso beachtlicher, weil er jeweils mit einer rundum neuen Elf arbeiten musste. Das klamme Getafe leiht mit Vorliebe Spieler aus den Reserveteams der Großen aus, lässt sie wachsen, muss sie zurückgeben und beginnt von vorne.
Und während die Spieler kommen und gehen, spielt die Elf unverändert. Exzellent gestaffelt, aggressiv, fähig, auf Zuruf das Spielsystem ohne Probleme zu ändern. Solche Teams sind nicht spektakulär und trotzdem faszinierend anzusehen. Weil sie ein Gesicht haben; eines mit blonden Haaren und funkelnden Augen im Fall von Getafe. "Ich suche die Einfachheit", sagt Bernd Schuster: "Meine Elf soll so einfach wie möglich spielen." Gefunden hat er eine Elf mit Klarheit in ihrem Spiel.
Wer ihm eine halbe Woche beim Training zusieht, erkennt schnell, woher es kommt. Wie er die Abwehr Unterzahlsituationen trainieren lässt, wie er das vorgerückte Pressing einstudiert, das ist einfach, ist klar - das ist ein Erfolgsversprechen. Und am nächsten Tag dann lässt Schuster Torschüsse trainieren wie bei einer E-Jugend in den Siebzigern. 20 Spieler stehen Schlange, während einer flankt, einer schießt. Die Übung dauert über eine Stunde. Schuster beendet sie nicht, ehe er selbst ein Tor markiert hat. Ein klares Bild von ihm wird sich wohl nie ergeben. Es wäre auch das Letzte, was er will.
Er ist jähzornig und bemerkenswert stur. Und er ist mitreißend, einnehmend. Wenn er in einem Interview merkt, er bringt sein Gegenüber zum Lachen, wird er zum Entertainer; er vergisst, dass alles am nächsten Tag in der Zeitung steht, und sagt über seinen besten Stürmer, David Güiza: "Er trifft, seit er eine Freundin hat. Seitdem ist er sogar rasiert! Früher dachtest du doch: Hat er wieder unter der Brücke geschlafen?"
In Getafe steht das dann auf Seite 25 der Sportpresse und ist am nächsten Tag vergessen. Was aber, wenn er so über Raúl bei Real Madrid reden würde? Seine direkte Art und sein Wesen, jeden Streit anzunehmen, hinterlassen Skepsis, ob er auch in der alltäglichen Hysterie eines Großklubs triumphieren kann.
In Spanien haben sie einen Ausdruck für die Deutschen: Cabezas cuadradas. Quadratschädel. Engstirnig, dickköpfig. Klack, klack machen Bernd Schusters Stollenschuhe auf dem Asphalt. "Ach", sagt er, "mittlerweile ist mein Kopf doch schon ziemlich abgerundet."
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