Fusion von Porsche und VW: Vernunftehe statt Übernahme
Bei Porsche nehmen die ArbeitnehmerInnen den geplanten Zusammenschluss mit VW mit gemischten Gefühlen auf. Wiedeking spricht von "Vernunftehe".
STUTTGART taz | Wenn man sich Porsche als Gewichtheber vorstellt, dann ist der Sportwagenbauer unangefochten Weltmeister im Federgewicht. Das wird ihm in der Klasse der Schwergewichte allerdings nichts bringen. So beschreibt einer aus dem Konzern die Situation der Porsche SE mir ihren 7,4 Milliarden Euro Umsatz, zwei Werken und 12.000 Mitarbeitern. Er meint damit ausnahmsweise nicht die dieser Tage oft benutzte Redewendung, Porsche habe sich mit der versuchten Übernahme des ziemlich schweren Volkswagen-Konzerns "verhoben". Die Zahlen des größten deutschen Autoherstellers sprechen für sich: 114 Milliarden Euro Umsatz, 61 Werke, 370.000 Mitarbeiter. Das verdeutlicht lediglich, dass sich Porsche über kurz oder lang mit jemandem zusammenschließen musste.
Das ist die eine Meinung, die aus dem Konzerns zu hören ist. Die andere Seite sind Befürchtungen. Angst um die Arbeitsplätze gibt es bei der hoch profitablen Firma zwar kaum. Viele Mitarbeiter fürchten aber um ihre Eigenständigkeit. Künftig könnte Porsche nur eine Marke von insgesamt zehn des VW-Konzerns werden, nachdem sich die Konzernführungen von Volkswagen und Porsche auf eine wie auch immer gearteten Fusion geeinigt haben.
Bisher handelt es sich dabei um eine reine Familienangelegenheit: Geeinigt haben sich die Eigentümerfamilien Piëch und Porsche. Zusammen kontrollieren sie die Porsche SE ebenso wie VW - wäre da nicht das für sie vertrackte VW-Gesetz. Die stimmberechtigten Stammaktien bei der Porsche SE gehören zu 46,3 Prozent der Familie Piëch, zu 53,7 Prozent den Porsches. Das Unternehmen Porsche kontrolliert wiederum knapp über die Hälfte der Aktien bei VW. Der 72-jährige Ferdinand Piëch ist nicht nur heute Aufsichtsratsvorsitzender und vormaliger Chef von VW, sondern auch Ziehvater des heutigen VW-Chefs Martin Winterkorn. Wolfgang Porsche ist nicht nur der Cousin von Piëch. Er ist auch Aufsichtsratschef bei Porsche und gilt als Freund von Porsche-Chef Wendelin Wiedeking. Und: Beide Konzerne passen traditionell ohnehin gut zusammen. Einst hat Ferdinand Porsche für Hitler den Volkswagen konstruiert, heute kooperieren die Firmen beim Porsche-Geländewagens Cayenne oder dem VW-Geländewagen Touareg.
So gilt der zuvor gescheiterte Versuch von Porsche, VW zu übernehmen, nur als eine Variante, wie Piëch und Porsche beide Unternehmen zusammenführen wollten. Beide eint das Ziel, einen neuen Weltkonzern zu schmieden, der Toyota als Nummer eins ablösen soll. Nur über das Wie soll es einen heftigen Familienzwist gegeben haben. Schon die Präferenzen der beiden Cousins bei der Wahl des Führungspersonals ist offensichtlich.
Die Übernahme von Volkswagen durch Porsche war auch aufgrund der Finanzkrise gescheitert. Trotz des spektakulären Gewinns von Porsche von 6,4 Milliarden Euro im Jahr 2008, hauptsächlich aufgrund von Spekulationen mit VW-Aktien, drücken den Konzern 9 Milliarden Euro Schulden. Den Kauf der VW-Aktien finanzierte Porsche-Chef Wiedeking hauptsächlich mit günstigen Bankkrediten, die sich nun verteuert haben. Noch in diesem Jahr benötigt Porsche nun dem Vernehmen nach 5 Milliarden Euro frisches Kapital.
"Das ist keine Hochzeit im Himmel, sondern eine Vernunftehe", sagte Wiedeking folgerichtig der Porsche-Belegschaft am Donnerstag in Stuttgart.
Soll der Zusammenschluss nun gelingen, muss auch der bei Volkswagen mächtige Betriebsrat zustimmen. Dank des VW-Gesetzes verfügt er über zusätzliche Privilegien: Beim Bau oder der Schließung von Werken müssen zwei Drittel des Aufsichtsrats zustimmen, der zur Hälfte mit Arbeitnehmervertretern besetzt ist. Da der VW-Betriebsrat das Gesetz auf jeden Fall erhalten will, dürfte auch bei Porsche die Belegschaft künftig mehr zu sagen haben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
Parteitag der CDU im Hochsauerlandkreis
Der Merz im Schafspelz
Misogynes Brauchtum Klaasohm
Frauenschlagen auf Borkum soll enden