american pie : Für ein Taschengeld
Nach der Aussperrung der Profis in der National Hockey League besiedeln diese nun die Ligen in Europa
Arbeitskämpfe im Profisport sind eine merkwürdige Angelegenheit. Derzeit dringt das böse Wort Aussperrung über den Atlantik. Die Besitzer der Eishockeyclubs in der NHL haben ihre Profis nach Hause geschickt, nachdem sie sich mit der Spielervereinigung nicht über neue Arbeitsverträge einigen konnten. Doch Mitleid mit den Stars will so recht nicht aufkommen. Das Durchschnittsgehalt in der NHL beträgt satte 1,75 Millionen Dollar und selbst die Niedriglohnjobs auf dem Eis werden mit 400.000 Dollar doch recht reichlich honoriert. Selbst wenn also die ganze Saison ausfallen würde, so richtig Sorgen muss man sich um das Auskommen der Spieler wohl nicht machen.
Viele Stars landen derzeit gut gelaunt auf den Flughäfen des alten Kontinents, um dort für ein wenig Geld ihr Können bis zu einer möglichen Aufnahme des Spielbetriebs in der NHL nach dem Jahreswechsel einem europäischen Proficlub zur Verfügung zu stellen. Was für die Stars nicht viel mehr als ein Taschengeld ist, könnte für die Clubs in Europa durchaus existenzgefährdend sein. Bis zu 300.000 Dollar verlangt ein gestandener Profi wie der von den Kassel Huskies und den Berliner Eisbären umworbene World-Cup-Sieger Dany Heatley für ein Engagement bis zum Jahresende. Ein hoher Preis, der sich nur dann auszahlen würde, wenn sich mit den Nordamerikaprofis auch der Erfolg einkaufen ließe. Dem ERC Ingolstadt ist es gelungen, Marko Sturm an die Donau zu holen. Der Goalgetter der San Jose Sharks hat in seinem ersten Spiel für Ingolstadt gleich zweimal getroffen. Bis Weihnachten stehen 34 Spieltage auf dem Programm. Und wer zum Jahreswechsel oben steht, hat eine gute Grundlage für das Erreichen der Playoffs gelegt. Genau aus diesem Grund hat sich Meistertrainer Rick Chernomaz von den Frankfurt Lions für die Verpflichtung des kanadischen Verteidigers Stephane Robidas (Chicago Blackhawks) eingesetzt.
Da nur sehr wenige Deutsche Eishockeyspieler in der NHL beschäftigt waren, wird sich der Spielerstrom in die DEL allerdings in Grenzen halten. Anders sieht es da schon in Schweden aus. Gleich fünf NHL-Legionäre werden zum Saisonauftakt in der schwedischen Liga für Modo Hockey in Örsköldsvik auflaufen. Unter ihnen der zweimalige Stanley Cup-Sieger Peter Forsberg von Colorado Avalanche. Er wird dort auf die Eishockey-Zwillinge Henrik und Daniel Sedin, Mattias Weinhandl und Pierre Hedin treffen. Damit entsteht urplötzlich in der nordschwedischen Provinzstadt eines der besten Eishockeyteams des Kontinents. Im tschechischen Kladno freut man sich derweil über Jaromir Jagr von den New York Rangers. Der Sohn der 25 Kilometer von Prag entfernt liegenden Gemeinde wird für seinen Heimatclub in der tschechischen Superliga spielen.
Viele amerikanische und kanadische Profis bleibt der Weg nach Europa mangels Prominenz bzw. Klasse jedoch verwehrt. Sie heuern in den Minor Leagues an, die sich vom Lockout einen Boom erwarten und aufgrund erhöhter Fernsehpräsenz mit steigenden Umsätzen rechnen. 113 Profis haben bei einer nach dem Scheitern der Tarifverhandlungen aus dem Boden gestampften Liga angeheuert, die sich Original Stars Hockey League (OSHL) nennt. In den sechs NHL-Standorten Toronto, Detroit, New York, Boston, Montreal und Chicago wird seit vergangenem Freitag der Puck wieder gespielt. Und das nach ganz eigenen Regeln. Es gibt keine rote Linie mehr, mithin keine sonst verbotenen Zweilinienpässe, Zeitstrafen wurden abgeschafft, in jeder Mannschaft stehen nur vier Feldspieler, bei Penaltys darf ein Verteidiger den Schützen verfolgen und ein Drittel dauert nur noch 17 statt 20 Minuten. Das erste Spiel nach diesen Regeln zwischen Toronto und Detroit endete 16:13.
ANDREAS RÜTTENAUER