: Für die soziale Erwärmung der Stadt
■ Das Hamburger Spendenparlament zieht eine erste Bilanz: 650.000 Mark für 49 Projekte gegen Armut und Obdachlosigkeit
Sie pachteten ein Stück Garten, gründeten den „Verein Moorgarten im Grünen“ und züchten seither Obst und Gemüse – ganz nach biologischer Art. Künftig werden die gärtnernden Arbeitslosen vom „Moorgarten“ auch noch ein Frühbeet und ein Gewächshaus beackern können. Und das verdanken sie dem Hamburger Spendenparlament. Heute wird dieses Parlament das erste Jahr seines Bestehens feiern können. Seine Bilanz läßt sich sehen: Vor einem Jahr taten sich rund 200 Hanseaten zusammen, um dem Wohltätigkeitsdrang ihrer Mitbürger einen Organisationsrahmen zu geben. Inzwischen zählt das Spendenparlament bereits 2315 Mitglieder. Mit 120 Mark sind sie dabei, um sich fürderhin unbürokratisch, effizient und eigenverantwortlich der dunklen Seite Hamburgs anzunehmen.
Von 75 Anträgen, die in den letzten zwölf Monaten eingingen, wurden 49 für förderungswürdig erachtet und mit insgesamt 650.000 Mark bedacht. Damit steht das Konto auf Null und eines der grundlegenden, selbstauferlegten Prinzipien ist erfüllt: Alle Mittel der Spendenparlamentarier, sollen unmittelbar den Bedürftigen zukommen. Kein Pfennig darf auf Bankkonten lagern oder in die eigene Verwaltung fließen. Gefördert werden Vereine und Gruppierungen, die in Hamburg gegen Armut und Obdachlosigkeit initiativ werden. Der Spendenfluß ist jedoch an zwei Kriterien gebunden: Einmaligkeit und Nachhaltigkeit.
In diesem Jahr erhielten Projekte unterschiedlicher Größenordnung und mit unterschiedlicher Tragweite Spendengelder. So etwa die Deutsche Seemannsmission, ihr Projekt „Restaurant Brückenschlag“ soll zu einem „Treffpunkt für Bürger, Touristen, Seeleute und Flüchtlinge“ werden. Im „Brückenschlag“, so lautet zumindest der Antrag, will man sich gleichzeitig um die „Weiterqualifizierung in beruflicher und sprachlicher Hinsicht“ kümmern, außerdem ist ein Kulturprogramm geplant.
Zu den bekanntesten geförderten Projekten gehört der Mitternachtbus des Diakonischen Werkes. Seit Anfang November versorgt er die Berber Hamburgs nachts mit warmer Kleidung, Getränken und Schlafsäcken. Mit einem Zuschuß von 80.000 Mark bedachte das Spendenparlament die „Kirchenkaten“, kleine energiesparende Holzhäuser zur dezentralen Unterbringung von Obdachlosen.
Das Hamburger Beispiel fand bereits Nachahmer: München zog schon nach, Aachen und Wien wollen folgen, um frei nach Stephan Reimers, dem Vater des Hamburger Spendenparlaments, „die soziale Erwärmung in den Städten voranzutreiben“. Steffen Kugler
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