■ Carlos' Geheimdienstkontakte: Für die Verteidigung war's der Mossad
Die Berichte über Carlos' Geheimdienstkontakte und -verwicklungen sind Legion. Sie reichen vom KGB, der ihn laut britischen Quellen während seines abgebrochenen Studiums an der Moskauer Lumumba-Universität rekrutiert haben soll, über zahlreiche weitere osteuropäische Dienste einschließlich der Stasi bis hin zu den verschiedensten nahöstlichen Auftraggebern. Eine besondere Rolle wird im Pariser Prozeß der israelische Mossad spielen. Carlos und seine Verteidigung behaupten, dieser habe die tödliche Schießerei im Juni 1975 in der Rue Toullier manipuliert, bei der drei Menschen starben.
Wesentliche Stütze dieser Verteidigungsthese ist das 1990 erschienene Buch „Mossad“ von Victor Ostrovsky. Der Autor, ein ehemaliger Mitarbeiter des Dienstes, der heute in Kanada lebt, erklärt in einem ganzen Kapitel, warum der Mossad die Operation in Paris organisiert habe.
Die Israelis sollen dabei, so Ostrovsky, gleich drei Ziele verfolgt haben: Erstens wollten sie den lästig gewordenen palästinensischen Überläufer Michel Moukharbal liquidieren, der die Beamten der französischen Spionageabwehr DST in das Appartement geführt hat. Zweitens wollten sie die Karriere des aufsteigenden revolutionären Stars Carlos behindern. Drittens lag ihnen daran, die privilegierten Beziehungen zwischen Frankreich und den verschiedenen palästinensischen Gruppen zu sabotieren.
Tatsächlich bestand Mitte der siebziger Jahre zwischen Paris und den bewaffneten Gruppen der PLO ein stillschweigendes Abkommen darüber, daß palästinensische Kämpfer Frankreich als taktisches Hinterland benutzen könnten, solange es keine Gewalttaten auf französischem Territorium gäbe.
Materielle Beweise für die Behauptung des früherem Mossad-Mitarbeiters Ostrovsky gibt es jenseits der auch von Carlos benutzten Verschwörungstheorie über den „weltweiten Zionismus“ nicht. Eine andere Schwäche von Ostrovsky liegt in seiner Detailbeschreibung der Schießerei, die zahlreiche Fehler enthält.
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