piwik no script img

Für den Osten nichts Neues

■ Nato folgt Clintons Konzept / Osteuropäern im Kriegsfall umgehende Konsultationen angeboten

Brüssel (taz/AP/dpa) – Unter dem Motto „Partnerschaft für den Frieden“ hat sich die Nato bei ihrem Gipfeltreffen in Brüssel darauf geeinigt, den Staaten des ehemaligen Warschauer Paktes eine engere Zusammenarbeit anzubieten. Nach Statements von US-Präsident Bill Clinton und Bundeskanzler Helmut Kohl soll einigen osteuropäischen Staaten damit auch der Weg zu einer späteren Vollmitgliedschaft geebnet werden. Für den Fall einer Bedrohung eines dieser Staaten bietet die Nato „umgehende Konsultationen“ an, wie Bundeskanzler Helmut Kohl in seiner Erklärung betonte.

Auf einen Zeitpunkt für die Aufnahme neuer Mitglieder und eine Liste möglicher Kandidaten legten sich die 16 ausdrücklich nicht fest. Allerdings hoben sowohl Kohl als auch der britische Premier John Major Polen, Ungarn und die Tschechische Republik in ihren Äußerungen namentlich als Staaten hervor, die dem Westen besonders nahe stünden. Die in diesem Zusammenhang bisher stets erwähnte Slowakei, die zur Vierergruppe der sogenannten „Visegrad-Staaten“ gehört, wurde nicht mehr genannt. Aus britischen Regierungskreisen verlautete, die Nichterwähnung der Slowakei sei durchaus bewußt geschehen. Sie hinke bei der wirtschaftlichen Entwicklung hinterher. Offiziell wollen Polen, Tschechien, Ungarn und die Slowakei sich im Anschluß an ein Treffen mit Clinton am Mittwoch in Prag zu dem Vorschlag äußern. Nach zunächst heftiger öffentlicher Kritik von Polens Präsident Walesa, der von einer Erpressung sprach und mutmaßte, die Nato wolle Polen nur hinhalten, hat sich das polnische Kabinett gestern doch darauf verständigt, dem Nato- Vorschlag zuzustimmen. Walesa hatte gefordert, die Nato solle endlich einmal die Glaubwürdigkeit Rußlands testen und Moskau auffordern, alle Massenvernichtungswaffen unter eine gemeinsame Kontrolle zu stellen. Nato-Generalsekretär Wörner erklärte dagegen, die Nato werde sich nicht in die „falsche Alternative manövrieren lassen“, zwischen den Sicherheitsinteressen Rußlands und der anderen Kooperationspartner wählen zu müssen. „Unsere Botschaft an Rußland ist klar: Ja zu einer immer engeren Partnerschaft mit einem demokratischen und reformerischen Rußland, nein zu jeglicher Wiederbelebung von Expansionismus“, sagte Wörner. Die Botschaft an die neuen Demokratien Mittel- und Osteuropas laute: „Wir lassen euch nicht allein.“

Weitgehend unbeachtet verabschiedete die Nato auch eine Änderung ihrer Kommandostruktur. Damit sollen die in den letzten beiden Jahren aufgestellten schnellen „Reaktions- und Eingreiftruppen“ zu weltweiten Einsätzen auch außerhalb des Nato-Vertragsgebietes ermächtigt werden. Außerdem sollen dadurch Einsätze von Nato-Truppen unter dem Kommando der Westeuropäischen Union (WEU) ermöglicht werden. Neben der Frage der Osterweiterung der Nato ging es in Brüssel auch wieder einmal um Bosnien. Angeblich soll Clinton, auf Drängen von Frankreichs Präsident Mitterrand, nun doch Luftangriffen auf serbische Stellungen um Sarajevo zugestimmt haben, wenn alle Allianzmitglieder dafür sind. Clinton möchte bei seinem Europatrip auch die Frage der ukrainischen Atomwaffen vom Tisch bekommen und wird deshalb vielleicht auf dem Weg von Prag nach Moskau in Kiew Station machen. Tagesthema Seite 3

Kommentar Seite 10

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen