: Für Thatcher ist Südafrikas Weste sauber
Das Tor des Victor-Verster-Gefängnisses hatte sich kaum geöffnet, da begann der Streit darüber, wem Nelson Mandela seine Freiheit zu verdanken hat. Die britische Premierministerin Thatcher behauptete dreist, daß sich ihre Politik der Überredung und der Opposition gegen Sanktionen als richtig erwiesen habe. Sie forderte die Staaten der Europäischen Gemeinschaft und des Commonwealth auf, den wirtschaftlichen Druck auf Südafrika zu lockern. Der Generalsekretär des Commonwealth, Ramphal, will die Sanktionspolitik jedoch beibehalten, bis „die Veränderungen in Südafrika unwiderruflich sind“.
Thatcher dagegen hat sämtliche Sanktionen, an die sie nicht durch internationale Verträge gebunden ist, bereits am Sonntag aufgehoben. Vor allem sehe sie nun keinen Grund mehr, auf Investitionen in Südafrika zu verzichten. So bleiben lediglich das UN-Waffenembargo sowie das durch EG -Gesetze geregelte Importverbot von Eisen, Stahl und Goldmünzen bestehen. Der britische Außenminister Douglas Hurd sagte: „Ich glaube nicht, daß die Veränderungen in Südafrika durchgesetzt worden wären, wenn wir umfassenden Sanktionen zugestimmt hätten.“ Hurd will beim Treffen der EG -Außenminister am nächsten Dienstag in der irischen Hauptstadt Dublin darauf drängen, daß die EG-Sanktionen aufgehoben werden. Heute finden im Dubliner Schloß vorbereitende Gespräche zwischen Mitarbeitern der Außenministerien statt, bei denen die EG-Sanktionspolitik ganz oben auf der Tagesordnung steht.
Thatchers eiliger Versuch, das Apartheidregime zu rehabilitieren, ist in Großbritannien auf heftigen Widerstand gestoßen. Der Vorsitzende der britischen Anti -Apartheid-Bewegung, Erzbischof Trevor Huddleston, sagte: „Es ist jämmerlich, daß die Premierministerin dieses Landes die erste war, die den Druck auf Südafrika gelockert hat.“ Oppositionsführer Neil Kinnock beschwor den irischen Regierungschef Charles Haughey in einem offenen Brief, alles zu unternehmen, um die Aufhebung der Wirtschaftssanktionen gegen Südafrika während der irischen EG-Präsidentschaft zu verhindern. Kinnock sagte: „Es ist klar, daß internationale Isolierung die Veränderungen herbeigeführt hat und nicht die Mäßigung, die von einigen Staatsoberhäuptern geübt wurde.“
In den übrigen EG-Ländern wurde die Freilassung Mandelas als „Triumph der Menschenrechte“ begrüßt. Doch die meisten Regierungen treten vorerst für die Beibehaltung der Sanktionen ein - zumindest bis Pretoria den Ausnahmezustand aufhebt. Der versöhnliche Ton der Erklärungen gegenüber dem Apartheidregime deutet jedoch darauf hin, daß die EG-Staaten schrittweise dem Beispiel Thatchers folgen und Südafrika wieder in den internationalen Schoß aufnehmen werden.
Thatchers Freude über die bevorstehende „politische Lösung der Probleme Südafrikas“ wurde am Sonntag abend etwas getrübt. Nachdem Nelson Mandela in seiner Rede vor dem Rathaus in Kapstadt angekündigt hatte, daß der bewaffnete Kampf fortgesetzt werde, sagte Thatcher kurzfristig ihre angekündigte Pressekonferenz ab. Durch ihren Pressesprecher Bernard Ingham ließ sie erklären, sie glaube nicht, daß sie noch irgendetwas zu dem Thema hinzuzufügen habe. Die Freilassung Mandelas habe nun das letzte Hindernis für einen Staatsbesuch Thatchers in Südafrika aus dem Weg geräumt. Die Premierministerin kündigte an, daß sie im Spätsommer oder Herbst nach Pretoria reisen werde. Der letzte Besuch eines britischen Staatsoberhaupts in Südafrika liegt 30 Jahre zurück. Damals fuhr Harold Macmillan nach Pretoria. Bob Hughes von der britischen Anti-Apartheid-Bewegung prophezeite, daß Thatchers Besuch zu einem Aufruhr in Südafrika führen werde. „Die Freilassung von Mandela ist kein Verdienst von Margaret Thatcher“, fügte er hinzu.
Bereits im Frühjahr wird Präsident de Klerk zu Gesprächen in London erwartet. Thatcher lud am Sonntag auch Nelson Mandela nach Großbritannien ein. Der ANC hält einen Besuch Mandelas bei Thatcher jedoch für unwahrscheinlich, nachdem die Premierministerin die Sanktionen aufgehoben hat.
Ralf Sotscheck, Dublin
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