Für Stefan Alberti beginnt der Kampf für eine bessere Welt schon morgens: Wenn der Ökoprotest beim Frühstück sitzt
Ein Frühstückstisch dieser Stadt. In Frohnau könnte er stehen, in Friedenau, in Zehlendorf, vielleicht auch in Kreuzberg. Mensch, sagt beim Blättern im Tagesspiegel der ergraute Familienvater, der sich in der Rolle des streng-liberal-alternativen Patriarchen gefällt, das sei ja toll, dass jetzt so viele Kinder freitags demonstrieren würden mit ihrem Streik für die Umwelt.
Die Kinder am Tisch, irgendwo zwischen Grundschule und Abitur, sagen erst mal nichts. Was nicht weiter auffällt, weil der Ergraute sich inzwischen in die weiter gedrehte Debatte über die Zukunft Barenboims bei der Staatskapelle vertieft hat. Er hat ja auch von sich gegeben, was er sagen wollte – was braucht es da eine Reaktion?
Die aber kommt dann doch: Wenn das so wichtig sei und so dränge, räsonieren die Kinder, warum würden sich die ganzen Schüler-Demonstranten dann eigentlich nicht am Wochenende treffen, wo sie für ihr Umweltengagement nicht auf Schule, sondern auf Freizeit verzichten müssten. Der Vater guckt, als hätte ihm einer den Stecker gezogen. Und hat fortan bei diesem Frühstück nichts mehr zu melden.
Was sei denn mit dem eigenen Umweltengagement, bekommt er zu hören. Was mache denn zum Beispiel diese Wurst da auf dem Tisch. „Ist die denn wenigstens bio?“ Nein, von Lidl, das musste schnell gehen letztens …. Das gehe ja gar nicht, wie könne man so was essen bei diesen fiesen Bildern von der Massentierhaltung.
Und ob einem eigentlich klar sei, wie viele Regenwälder weichen müssten für Rinderzucht. Ob man denn nicht, wenn es schon Fleisch sein müsse, bei einem richtigen Metzger einkaufen und sich die Sachen in Papier statt Plastik einpacken lassen könne. „Und der Käse, wieso ist da Folie drum?“ Ob man sich denn mit Mikroplastik im Essen vergiften wolle.
Überhaupt: Diese Sorte Schokocreme da – „aber die habt ihr doch immer so gemocht!“ – die habe auch nichts auf dem Tisch zu suchen. Da sei nämlich Palmöl drin, und für solche Monokulturen würden noch mehr Regenwälder abgeholzt und Tiere würden ihren Lebensraum verlieren. Und überhaupt: Der Kaffee da, wieso liege denn im Müll eine aufgerissene Alu-Packung? Den gebe es doch lose im Unverpackt-Laden.
Aber das sei doch sauber getrennt, kann der Vater gerade noch krächzen, alles für die gelbe Tonne, nicht in den Restmüll, das werde doch recycelt … Von wegen Recycling, das lande doch im Meer oder in China, haben die Kinder gerade erst gelesen. Das Handy soll übrigens bitte schön weit vom Tisch weg, das strahle nämlich.
Es ist erst Donnerstagmorgen, aber gefühlt schon Freitag – Demo-Freitag. Bloß dass der Protest gerade nicht unter freiem Himmel stattfindet. Bericht
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