Fünf Jahre Knast gegen Ingrid Strobl

Gericht sah Unterstützung einer terroristischen Vereinigung als erwiesen an  ■  Aus Düsseldorf Gitti Hentschel

Zu fünf Jahren Gefängnis verurteilte gestern der fünfte Strafsenat des Düsseldorfer Oberlandesgerichts die 37jährige Journalistin Dr. Ingrid Strobl. Nach fast dreimonatiger Verhandlung sah das Gericht es als „zweifelsfrei“ erwiesen an, daß sich die engagierte Feministin der Beihilfe zu einem Sprengstoffanschlag, der Zerstörung eines Gebäudes und der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung, den Revolutionären Zellen, schuldig gemacht hat.

In einer zweieinhalbstündigen Urteilsbegründung erklärte der Vorsitzende Richter, Klaus Arend, warum für das Gericht feststehe, daß Ingrid Strobl September 1986 wissentlich den Wecker gekauft hat, der sechs Wochen später als Zündverzögerer bei einem RZ-Anschlag auf das Lufthansa -Gebäude in Köln benutzt wurde. Das „Weckerprogramm“ des BKA, durch das die Identität des von Ingrid Strobl gekauften Weckers mit dem des Anschlags nachgewiesen werden sollte, hielt das Gericht für „zuverlässig“ und beweiswürdig. Sämtliche Zeugenaussagen, insbesondere die von BKA-Beamten, erklärte es in diesem Punkt zu Ungunsten der Angeklagten für „verläßlich“ und „glaubwürdig“, obwohl die Beamten sich in zahlreiche Widersprüche verstrickt hatten.

Fehler und Irrtümer, die die Verteidigung im Produktions

und Verpackungsprozeß der vom BKA markierten Wecker

aufgezeigt hatte, schloß das Gericht aufgrund der

Zeugenaussagen von Firmenmitarbeitern „nach menschlichem

Ermessen“ aus. Auch im Uhrengeschäft, wo Ingrid Strobl den Wecker kaufte, sei eine Vertauschung des entscheidenden

Weckers nur Fortsetzung auf Seite 2

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„abstrakt denkbar“. Von der Ansicht der Verteidigung, die BKA- Zeugen seien unglaubwürdig, sei „nichts geblieben“. Selbst wenn die Aussage eines Beamten „objektiv unrichtig“ gewesen sei, ändere das nichts an seiner generellen Glaubwürdigkeit.

Zwar reicht auch nach Ansicht des Gerichts ein Weckerkauf allein für eine Verurteilung nicht aus, doch er sei ein „bedeutsames Beweisanzeichen“ dafür, daß Ingrid Strobl seinen Verwendungszweck kannte. Zusätzliche Indizien dafür leiteten die Richter aus dem Verhalten Ingrid Strobls ab. So habe „die ledige

Angeklagte“ den Wecker beim Kauf als „Geschenk für ihren Mann“ bezeichnet und sich nicht für die Farbe interessiert.

Als sie von ihrer Observation erfahren habe, habe sie weder Freundinnen noch ihrer Anwältin über den Weckerkauf berichtet. Daß sie ihren Bekannten X, für den sie den Wecker gekauft hat, nicht nach dessen Verbleib fragte, sei „unglaubhaft und lebensfremd“.

Für die Annahme, daß Ingrid Strobl vom Verwendungszweck des Weckers „im einzelnen“ gewußt habe, spreche, daß sich die „promovierte Germanistin, engagierte Journalistin und Schriftstellerin“ nicht ohne Ahnung für die RZ habe einspannen lassen. Die Themen, zu denen die RZ Anschläge verübten, Abschie

bepraxis und Sextourismus, seien ihr „auf den Leib geschrieben“. Das beweise, daß sie sich nicht für eine Sache hergegeben habe, ohne genau zu wissen, worum es ging. Daß es sich bei den RZ um eine terroristische Vereinigung handele, die „klandestin und nach außen abgeschlossen“ operiere, leitete das Gericht insbesondere aus Schriften der RZ im 'Revolutionären Zorn‘ ab, der Verbandszeitung der Gruppe. Da das Gericht die personelle Zusammensetzung der Gruppe und Ingrid Strobls persönliche Beziehungen zu X nicht kenne, gehe es zugunsten der Angeklagten davon aus, daß sie nicht Mitglied, sondern nur Unterstützerin der RZ sei. Die Weigerung Ingrid Strobls, X‘ Namen preiszugeben, erklärte der

Richter zu einem Ausdruck „seltsamer politischer Moral“, die den „Grundsätzen einer Ganovenehre“ entspräche.

Wie sehr den Vorsitzenden Richter Ingrid Strobls politische Moral erbost, hatte er gleich zu Beginn der Urteilsbegründung deutlich gemacht.

Er habe als „junger Landrichter an der Aufklärung von NS -Verbrechen mitgewirkt“ und ihm hätte „die Galle hochkommen mögen“, als Ingrid Strobl im „Schlußwort über Klassenjustiz sinnierte“ und die Bagatellisierung von NS-Verbrechen angegriffen habe.

Daß sie sich selbst „als hehre Kämpferin für Gerechtigkeit“ darstellte, sei Ausdruck „narzißtischer Selbstgefälligkeit“.