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Führungsstreit in der LinksparteiDoch nicht unersetzlich

Oskar Lafontaine zieht seine Kandidatur für den Parteivorsitz zurück. Ist der Weg frei für Gegenkandidat Dietmar Bartsch? Auch mehrere Frauen sind mittlerweile in der Spur.

Adieu. Bild: dapd

BERLIN taz | Oskar Lafontaine wird nicht Chef der Linkspartei. „Ich habe zur Kenntnis nehmen müssen, dass meine Bereitschaft [Parteivorsitzender zu werden] nicht zu einer Befriedung der innerparteilichen Auseinandersetzung geführt hat, sondern dass die Konflikte weiter eskaliert sind. Das ist kein Umfeld, in dem ich mich in der Lage sehe, dazu beizutragen, dass Die Linke wieder eine starke bundespolitische Kraft wird.“

In diesen gewundenen Sätze scheint eine der schillerndsten, glänzendsten, kurvenreichsten politischen Karieren der Bundesrepublik zu Ende zu gehen. Kein anderer Politiker hat so effektvolle Auf- und Abgänge und Karrieresprünge vollführt.

Spektakulär war sein spontaner Rücktritt als Finanzminister und SPD-Parteivorsitzender 1999. Oder sein Putsch in Mannheim beim SPD-Parteitag 1995, als er Rudolf Scharping mit einer Rede um seinen Job als Parteichef brachte.

Die Erklärung des Exparteichefs, die von der Fraktion der Linken verteilt wurde:

„Nachdem ich seit über einem Jahr von vielen immer wieder öffentlich aufgefordert worden bin, noch einmal für Spitzenfunktionen der Partei Die Linke zu kandidieren, habe ich am vergangenen Montag dem geschäftsführenden Parteivorstand und den Landesvorsitzenden meine Bereitschaft erklärt, wieder die Aufgabe des Parteivorsitzenden und des Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl zu übernehmen.

Mein Beweggrund war, Die Linke in einer für sie sehr schwierigen Situation nicht im Stich zu lassen. Ich habe für dieses Angebot aus Ost und West sehr viel Unterstützung erhalten, für die ich dankbar bin.

Ich habe allerdings zur Kenntnis nehmen müssen, dass meine Bereitschaft nicht zu einer Befriedung der innerparteilichen Auseinandersetzung geführt hat, sondern dass die Konflikte weiter eskaliert sind. Das ist kein Umfeld, in dem ich mich in der Lage sehe, dazu beizutragen, dass Die Linke wieder eine starke bundespolitische Kraft wird.

Daher bin ich zu dem Schluss gekommen, dass nur ein passender Neuanfang jenseits der bisherigen Konfrontationslinien die derzeitige festgefahrene Situation überwinden kann.

Ich ziehe daher mein Angebot, wieder bundespolitische Aufgaben zu übernehmen, zurück, um einen solchen Neuanfang zu ermöglichen.“

Und nun? Auch als Klaus Ernst und Gesine Lötzsch als Parteichefs im Amt waren, ging nichts ohne ihn. Er war die graue Eminenz der Westlinken, einflussreich auch im fernen Saarbrücken. Mal sehen, ob ihm diese Rolle nun so bleibt. Denn dies ist die erste wirkliche Niederlage Lafontaines in der Linkspartei. Er, der immer ein Spieler war ohne Scheu vor hohen Einsätzen, hat sich verkalkuliert. Er war von seiner Unersetzbarkeit überzeugt – doch die Wahlniederlagen im Westen, die versteckte Kapitulationsaufforderung an die Ost-Linkspartei, das war zu viel.

Kampfkandidatur oder Rückzug

Die Linkspartei hat Lafontaine durch sein langes Schweigen über seine Zukunft enorm verunsichert. Die gesamte Machtbalance hing davon ab, wann er sich erklären würde, wann und unter welchen Bedingungen er als Parteichef wieder antreten würde. Er wartete, weil die Niederlagen in Kiel und Düsseldorf nicht auf seine Kappe gehen sollten. Das hat seinen Nimbus als Retter angekratzt. Als Dietmar Bartsch nicht freiwillig seine Kandidatur zurückzog und auch noch Fraktionschef Gregor Gysi sich gegen ihn stellte, blieben ihm nur zwei Möglichkeiten: Kampfkandidatur oder Rückzug.

Nun bleiben der Linkspartei zwei Möglichkeiten: Dietmar Bartsch plus eine Westfrau oder eine dritte Lösung – womöglich eine Frauendoppelspitze. Die stellvertretende Parteivorsitzende Katja Kipping, 34, sagt der taz: „So kurz nach der Geburt meiner Tochter könnte ich den Vorsitz nur als Teilzeit ausüben.“ Ist das ein Teilzeit-Ja? Kipping: „Das heißt: Insofern werbe ich für eine Lösung ohne mich.“ Die sächsische Bundestagsabgeordnete Sabine Zimmermann, 51, will kandidieren und „mit jedem oder jeder Vorsitzenden zusammenzuarbeiten“. Sie sei in den letzten Tagen von verschiedenen Seiten gebeten worden zu kandidieren, weil sie „als Frau aus dem Osten und langjährige hauptamtliche Gewerkschafterin die Vertreterin eines gesamtdeutschen Projekts“ sei.

Zimmermann gilt als Anhängerin von Oskar Lafontaine, hat aber keine nationale Reputation. Bei Katharina Schwabedissen ist das anders. Sie kommt aus Nordrhein-Westfalen, dem Landesverband der als besonders Lafontaine-nah und links gilt. Doch Schwabedissen hatte Ende letzter Woche in der taz die Idee von einer weiblichen Doppelspitze aufgebracht: „Wir sind nicht das schmückende Beiwerk an der Seite eines Mannes. Wir meinen es ernst.“

Die 39-jährige Historikerin schließt nun eine Kandidatur nicht aus. „Ich muss das aber mit meinem Landesvorstand und meinen Söhnen besprechen.“ Ihr wird gemeinsam mit der Ostlerin Kipping die Parteiführung zugetraut. Und auch Lafontaine favorisiert nun eine dritte Lösung – also bloß nicht Bartsch. So kann man seine Erklärung lesen. Er will eine Lösung „jenseits der bisherigen Konfrontationslinien“. Damit kann auch eine Unterstützung für seinen treuen Adlatus Klaus Ernst gemeint sein.

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17 Kommentare

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  • G
    GWalter

    Es ist schon immer wieder witzig...

    ...wenn sich die deutsche "Qualitätsjournaille" darüber verbreitet wie "die Linke zu retten" sei, während sie gleichzeitig nichts anderes zu tun hat, als sie zu demontieren. Die Einseitigkeit der Berichterstattung ist einfach nur haarsträubend, ich kann mich wirklich an keinen einzigen Artikel in der SZ (Noch besseres Beispiel: Die angeblich linke FR) erinnern, der sich mit politischen Inhalten beschäftigt hätte.

     

    Aber klar, über die Linke gibt es ja auch sonst nix zu sagen, außer dass sie die einzige Partei ist,

     

    - die den Fiskalpakt und den ESM ablehnt und stattdessen auf ein vollkommen logisches Modell aus solidarischer Unterstützung der einzelnen EU-Mitglieder (wider die Spekulantengeier, die die Risikoaufschläge nach oben treiben) und Konjunkturbelebung setzt

     

    - deren Forderungen von der Regierungskoalition immer wieder nach vorheriger Totalablehnung und Häme schlicht abgekupfert werden, spätestens, wenn die Situation keine andere Wahl mehr zulässt. Siehe ESM, siehe die (schwachen Versuche) Bankenregulierung nach 2008, siehe die unsägliche Mindestlohndiskussion, die jetzt plötzlich auch von CDU Hardlinern aufgenommen wird. Die aktuellen Verwerfungen rund um GR zeigen, wie unfassbar teuer die merkelsche Salamitaktiererei werden kann, hätte Sie 2010 GR solidarischen Rückhalt geboten, wären wir bei 90 statt 4000 Milliarden Garantien. Tja, mal wieder zu langsam, zu spät, zu dogmatisch.

     

    - die eine tatsächlich an den Interessen der Arbeiter, Angestellten, Rentnern und Arbeitslosen orientierte Politik im Auge hat. Die verheerenden Konsequenzen der Agenda 2010 werden allein von Linken gesehen.

     

    Aber wen wundert das? In der deutschen Presse wird ja erst mit 2 Jahren Verzögerung das Spardiktat Merkels als solches wahrgenommen, die Entscheidungen des Bundeshosenanzugs werden im allgemeinen wie Naturgesetze interpretiert.

    Über die Bankenkrise, und deren vorläufigen Höhepunkt 2008 war im Vorfeld so gut wie NICHTS greifbares in der deutschen Presse zu lesen. Das Schicksal der vom Spardiktat gebeutelten EU-Mitglieder und deren Bevölkerungen? Selbst im neoliberalen Musterland No.2, Österreich, wird darüber diskutiert, in der deutschen Presse? Fehlanzeige.

     

    Da verwundert die Vehemenz nicht, mit welcher der einzige politische Stachel im selbstgefälligen Fleisch der Berliner Politmarionetten bekämpft wird.

  • R
    reblek

    "Spektakulär war sein spontaner Rücktritt als Finanzminister und SPD-Parteivorsitzender 1999." - "Spontan"? Das möchte ich doch nicht hoffen. Allerdings hat L. die Ernsthaftigkeit des Rücktritts dadurch verspielt, dass er keinerlei Begründung dafür abgegeben hat. Möglicherweise hätte damals noch die Chance bestanden, Schröders asoziale und kriegerische Politik zu verhindern. Aber da L. als Finanzminister selbst so etwas vorschlagen hat, was später als "Sozial"gesetzgebung den Namen eines verurteilen Straftäters erhalten sollte, ging es wohl eher um seine persönliche Eitelkeit.

    Dass Herr Ernst ernsthaft als ernstzunehmender Mensch zu betrachten sein soll, ist eher ein schlechter Witz.

  • K
    Kuddel

    Es rettet uns kein höh'res Wesen, kein Gott, kein Kaiser noch Tribun. Ich finde die Kombi Schwabedissen/Kipping sehr sympathisch, vor allem hoffe ich, dass die Linke endlich mal wieder Politik macht!

  • W
    Wolf

    Wer ist Batsch ?

    Blass, selbstherrlich und gegenüber Oscar absolut

    zweitklassig.

     

    Ich werde diese Partei nicht mehr wählen und hoffentlich treten aus diesem Selbstdarstellerhaufen tausende von Mitglieder aus.

     

    Wie borniert kann eine Partei sein, auf ihr bestes Zugpferd Oscar zu verzichten.

    Derartiges ist mehr als nur borniert !

     

    Es muss eine neue Partei kommen.

     

    Die Anti-EU Partei, die Partei, die endlich Drecksbanken, Dreckswirtschaft und gekaufte Politschweine in die Zange nimmt und die Verstaatlichung von sämtlichen Schlüsselindustrieen

    in ihrem Parteiprogramm hat, wird diese Banenrepublik, insbesondere die kleinen Leute vom Diktorat der EU befreien können.

  • BS
    Brigitte Schultz

    Ich kann mich dem Kommentar nur anschließen. Wenn die Linken dumm genug sind, Herrn Bartsch - den sogenannten "Reformpolitiker" (Warum eigentlich? Weil er bereit ist Positionen aufzugeben und beliebig zu werden, um ja ein bißchen an die Macht zu kommen?) - als vorsitzenden zu wählen, weiß ich, dass diese Partei für mich auch unwählbar wird. Stromlinienförmige Parteien, die bis auf Nuancen austauschbare Programme haben, gibt es in der deutschen parteienlandschaft whrlich genug!

  • E
    E.A.

    Im Gegensatz zu manchen Polit-Versagern aus anderen Fraktionen hat Lafontaine inhaltlich oft richtig gelegen... Das schürt halt Neid überall.

  • TT
    Tssss, tsss

    Was ist denn bei den freien Wählern denn so los? Man hört immer nur von der SED, pardon SED&Friends alias Linkspartei. Lafo der erfolgreiste Politiker aller Zeiten, Gysi der Houdini der DDR welcher es schaffte als einziger mit einem Bürgerrechtler der DDR im Auto zu sitzen ohne ein Stasimitarbeiter zu sein, während ein gewisser IM Notar diesen für die Stasi im Auftrag der SED bespitzelte, dann die Gulag-Sara....alles echt total interessant. Besonders wenn die Leute täglich Anzeigen in der taz schalten. Deshalb fragt man auch besser nicht wo die Kohle dazu herkommt. Lafo ist Multimillionär, Gysi auch, Margot Honecker bekommt ihre dicke rente ebenso pünklich wie der Rest der Diktatoren, Mörder und Folterer der DDR-Diktatur...warum all die Sorgen? Weil ein paar alte Kollaborateure gerne wieder eine zünftige Demokratur hätten? Mir doch egal, Hauptsachen sie sind weg. Dann sollte man endlich an Gerechtigkeit für ihre Opfer denken. Das wäre viel interessanter.

  • W
    Wolf

    Es ist ein Jammer, den besten Mann auszuboten.

    Zweit- und drittklassige Nasen werden die Partei

    nicht mehr über die 5% Hürde bringen.

     

    Einen derartigen Haufen von machtgeilen Selbstdarstellern wähle ich nicht mehr !

  • MA
    Monsieur Achie

    Was die Autoren nicht sagen, dass die Linke erst mit Lafontaine eine Bundespartei geworden ist. Die Linke ist ohne Lafontaine nur eine Ostpartei und nach und nach aus Parlamenten in Westen verschwinden werden. Ich werde die Linke wegen Bartsch oder Gysi oder sonst jemand wählen. Schade, dass ein Politiker mit hellen Kopf wie Lafontaine aus der Bundespolitik rauszieht.

  • W
    Weinberg

    Die Kampagne gegen Oskar Lafontaine ist mit seinem Verzicht auf die Kandidatur erfolgreich beendet worden.

     

    Auftragsgemäß wird die Kampagne jetzt aber gegen den verbliebenen Rest der Linkspartei fortgesetzt.

     

    Wer dazu mehr erfahren möchte, dem empfehle ich den NachDenkSeiten-Beitrag „Ein Rat an Lafontaine: Nicht antreten.“ von Albrecht Müller. Dieser Beitrag ist im Internet zu finden unter http://www.nachdenkseiten.de/?p=13317#more-13317

     

    Ist bekannt, wie die „Trauerfeier“ in der SPD-Parteizentrale ausgefallen ist? War genug Champagner vorrätig?

  • Z
    Zuechter

    Ja, Lafontaine war mit Gysi ein Hauptgewinn für die Linke und ich kann gut verstehen dass Lafontaine nun versuchte, möglichst Barrierefrei die Partei wieder ins Bewusstsein der Menschen zu bringen. Klar dass ihm damit Demokratiefeindlichkeit vorgeworfen wurde, aber es zeugt von persönlicher Stärke zu dem zu stehen was er persönlich will und was nicht - deshalb auch konsequent sein jetztiger Rückzug. Damit hat die Partei eine klare Chance für den Wiedereinzug in die Parlamente vertan. Allerdings hoffe ich nun auf eine Doppelspitze von Kipping und Schwabedissen, den beiden trau ich viel zu.

  • A
    Arne

    Naja, hat den Vorteil, wenn Bartsch jetzt Vorsitzender wird, hoffentlich die westliche Linkspartei geschlossen zu den Piraten umschwenkt. In ökonomischen Fragen benötigen die eh dringen Hilfestellungen.

  • O
    Oli

    Wir werden in Intervalen immer wieder über Oskar Lafontaine und die Frage, wer rettet die Linkspartei sprechen. Denn andere schaffen es nicht. Mag sein, dass Oskar zu dick aufträgt, aber er hat wenigstens die nötigen Eigenschaften, die es an der Spitze in der Politik braucht. Ich glaube leider nicht an andere Führungsfiguren - Siehe PDS und der Westen.

  • DM
    Dietmar M.

    Na ja, nun bin ich mir nicht mehr 100 % sicher, 2013 meine Stimmen (1. + 2. Stimme) der Partei "Die Linke" zu geben. Bei einem Spitzenkandidat Lafontaine wäre für mich das keine Frage gewesen. Ich glaube eher, ich werde auf "Ungültig" setzen.

  • I
    I.Q

    Lafontaine wird eher von dem Gedanken getragen worden sein, dass er nun ersetzbar sein muss, nicht als Hindernis angeführt werden darf, wenn man nun in der Partei Farbe für richtige Entscheidungen bekunden muss.

    Und,

    er ist ja auch nicht aus der Welt getreten und wird weiter wirken.

  • UM
    Ulli Müller

    heiratest du, ist es verkehrt,

    heiratest du nicht, ist es verkehrt.

    Was nun aus den Linken wird?

    Anscheinend hat Oskar auf Albrecht Müller ( http://www.nachdenkseiten.de/?p=13317 ) gehört. Mit Oskar geht der Politiker aus der Schuslinie, der von Medienunternehmers Murdoch, durch dessen SUN "Der gefährlichste Mann Europas“ tituliert wurde.

    Hoffentlich geht er nicht ganz! Denn er wird dringenst für die soziale Demokratie in diesem Land benötigt.

  • V
    viccy

    Das ist eine schlechte Nachricht für die Linkspartei und ein guter Tag für die "Weiter-so-Fraktion" aus rot, schwarz, gelb und grün. Einen so klaren Kopf und guten Redner wie Lafontaine findet sie in Bartsch gewiss nicht. Ich bin traurig :-(