: Führungskrise in der Berliner Polizei
■ Stasi-Verdacht: Polizeipräsident Schertz wirft Polizeidirektor Kittlaus vor, ihn stürzen zu wollen
Berlin. Die durch Stasi-Verdächtigungen ausgelöste Führungskrise in der Berliner Polizei spitzt sich zu. Polizeipräsident Georg Schertz warf seinem Landespolizeidirektor Manfred Kittlaus gestern vor, ihn stürzen zu wollen. Kittlaus soll nach einem Gespräch mit einem Stasi-Führungsoffizier gesagt haben, er werde den Polizeipräsidenten »nunmehr abschießen«, sagte Schertz. Dies allerdings dementierte der in den eigenen Reihen umstrittene Kittlaus auf 'dpa‘-Anfrage.
Der Streit wurde durch die Aussagen eines ehemaligen Stasi-Führungsoffiziers ausgelöst. Dieser hatte in einem Zeitungsinterview angegeben, daß der Polizeipräsident der Stasi »alles ausgeplaudert« habe. Kittlaus, so der Stasi-Mann weiter, habe dagegen bei der Stasi den Namen »Der Hase mit den zerschossenen Ohren« bekommen. Das bedeutet laut Kittlaus, daß er bei Problemen in der Berliner Polizei immer als Sündenbock herhalten mußte. So sei er möglicherweise mehrfach durch Desinformations-Kampagnen der Stasi in Verruf gebracht worden.
Kurz bevor der Stasi-Mann in die Schlagzeilen kam, hatte bereits Kittlaus mit dem Führungsoffizier mehrere Stunden lang gesprochen und anschließend dem Berliner Generalstaatsanwalt einen Bericht geliefert. Allerdings, so Kittlaus, sei es bei diesem Gespräch ausschließlich um seine eigene Person gegangen. Er habe nicht versucht, Informationen gegen den Polizeipräsidenten zu sammeln. Kittlaus forderte gestern erneut vollständige Aufklärung über eine mögliche Unterwanderung der Berliner Polizeiführung durch die Stasi. Dabei sollten alle leitenden Polizisten von der Gauck-Behörde überprüft werden.
Dagegen betonte der Polizeipräsident, bei einer Vernehmung des Stasi-Mannes durch den Berliner Generalstaatsanwalt am Mittwoch seien keinerlei Hinweise auf einen Straftatbestand gegen ihn, Schertz, aufgetaucht. Die Führungsriege der Polizei stehe geschlossen hinter ihm.
Dem Polizeipräsidenten wird bereits seit Monaten vorgeworfen, sich noch vor dem Mauerfall mehrfach mit seinem Ostberliner Cousin, der für die Stasi gearbeitet haben soll, getroffen zu haben. Dabei habe er leichtfertig Interna ausgeplaudert und im Gegenzug Empfehlungen von der Staatssicherheit bekommen, so die bisher unbestätigten Beschuldigungen.
Unterdessen sagte der Polizeipräsident am Donnerstag, daß nach diesem »Vorfall« eine Zusammenarbeit zwischen ihm und Kittlaus »nicht mehr möglich« sei. Kittlaus war bereits nach einer Führungskrise im vergangenen Sommer von seinem Amt als Landespolizeidirektor entbunden worden und leitet gegenwärtig die Ermittlungsgruppe Regierungs- und Vereinigungskriminalität. Hintergrund war damals eine Enthüllungsgeschichte über seine angebliche Führungsschwäche. Diese Kampagne, so Kittlaus, sei möglicherweise von der Stasi gesteuert worden. dpa
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