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Frustration und Haß

■ betr.: „Verdammt, ich bin doch nur ein Zivi!“, taz vom 22./23. 6. 96

Wohl dem, der solch ein M. zwischen Vor- und Nachnamen sein eigen nennen kann, davon kann „Herbert“, einer der Härtefälle, aus Frank M. Zieglers von Kot diversester Konsistenz triefendem, klebendem, strotzendem Beitrag nur träumen, denn er ist der „gelähmte Herbert“, was den Autor dazu berechtigt, sich seinen Nachnamen zu ersparen, zumal „Herbert“ sich durch die Notwendigkeit eines Abführtages diskreditiert, womit er den ästhetischen Ansprüchen nach analer Sauberkeit und Unabhängigkeit und körperlicher Unversehrtheit ebensowenig entspricht, wie Herr (!) Rohr. Denn: „Er muß mal ein schöner Mann gewesen sein. Heute hat er keine Beine mehr.“

Über „Oma“ Müller schreibt Ziegler: „Sie schreit bei jeder Berührung. (...) Ich wische ihre Scheiße weg, lege neuen Zellstoff unter die nässenden Wunden und ignoriere ihre jämmerlichen Schreie. Warum darf so jemand nicht endlich sterben?“

Warum darf so jemand in der taz Euthanasie-Hetze übelster Sorte betreiben?

Der Blick des Herrn Ziegler auf die alten Leute ist in keiner Weise von Mitgefühl getrübt, ähnliches an Ton und Haltung, gemischt aus Ekel, Abwehr und übelster Verleumdung, kennen wir aus Berichten von Nazis über die „Untermenschen“ in den KZs, über deren Gestank und physische Heruntergekommenheit sie sich auslassen, um das dann zynisch als Begründung zu nehmen, daß ihnen recht geschähe. Der Blick auf Krankheit und Hilfsbedürftigkeit, den Ziegler an den Tag legt, erinnert an den „Pannwitzblick“, wie Primo Levi ihn beschrieb.

Warum konnte der Autor die Energie, die er in den von Ekel, Verleumdung und Abwehr gegen die Opfer strotzenden taz-Artikel investierte, nicht auf eine die schreienden Mißstände (die eben auf solche Abwehr im gesellschaftlichen Maßstab zurückzuführen sind!) aufdeckende Eingabe an die verantwortlichen Politiker mit Nennung von Ort, Namen und Adressen verwenden? [...] Ulrike Gottschalk, Berlin

Frank Zieglers Artikel spricht vermutlich allen Zivis aus dem Herzen. Ich muß sagen, er war noch zurückhaltend formuliert. Ich kann meine Frustration und meinen Haß bezüglich meines Zivildienstes kaum in Worte fassen. Die Art mit der junge Männer im Rahmen ihres Wehrersatzdienstes ausgenutzt werden, grenzt schon an Sklaverei. Bei allen Entehrungen, die man in dieser Zeit erfährt, ist es gerade zu ungeheuerlich, daß diese Bundesregierung sich andauernd für die Bundeswehr engagiert, dabei aber kein gutes Wort für den Zivildienst übrig hat. [...]

Ich frage mich, warum Zivis noch immer als Drückeberger, Vaterlandsverräter und Faulpelze beschimpft werden können, ohne daß es jemanden großartig stört. Ein bißchen mehr Respekt vor unserer halbfreiwilligen Arbeit wäre wohl angebracht. Niemand von uns verlangt, daß der Bundespräsident uns öffentlich lobt oder der Bundeskanzler den Zivildienstleistenden das Bundesverdienstkreuz verleiht. Alles was wir wollen, ist Respektierung unserer Person und Anerkennung unserer Leistungen. Niemand braucht sich etwas vorzumachen: Ohne uns Zivis würde unser geliebter Sozialstaat von einer Minute auf die andere aufhören zu existieren. Olaf Plotke, Kamen

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