Fritz Tietz : Vom korrekten Umgang mit dem Personal
Beim Chinesen neulich. Als mit der Rechnung auch der Glückskeks kam, fiel mir dieser Beschwerde-Gag ein: „Herr Ober, in meinem Keks steckt ein Zettel!“ Ließ ihn aber stecken. Also den Gag. Was auf dem Zettel stand? Vergessen.
Als ich beim Zahlen auf dem Kartenlesegerät die Tipp-Optionen 10, 15 oder 20 Prozent sah, hätte ich um ein Haar (nein, es war keins in der Suppe) gefragt: „Gehen auch 100?“ Was ich mir auch schon länger mal vorgenommen habe: Die Bedienung nach dem Begleichen der Rechnung erneut an den Tisch bitten, um ihr mitzuteilen: „Ich möchte dasselbe noch mal zahlen, bitte!“ Einfach so. Traute ich mich in echt natürlich noch nie.
Auch das werde ich mein Lebtag bestimmt nie wagen: Bei „Aktenzeichen XY … ungelöst“ eine der eingeblendeten Nummern anrufen, um dem Fahnder am anderen Ende der Leitung zu sagen: „Sorry, ich habe nichts gesehen und kann auch sonst nichts zur Lösung des Falls beitragen.“
Was ich jedoch seit einiger Zeit tue: Ich reagiere nicht mehr so unwirsch, wenn mich eine Callcenter-Agentin oder ein -Agent anruft, um mir einen neuen Tarif, ein Abo oder eine Photovoltaikanlage zu verkaufen. Im Gegenteil. Ich bin höflich, bedanke mich für das Angebot, frage nach, wenn ich etwas auf Anhieb nicht verstanden habe. Auch wenn ich am Ende trotzdem ablehne, bemühe ich mich, meine Entscheidung ehrlich zu begründen.
Ich meine dann manchmal ein gewisses Erstaunen und eine Art Erleichterung bei den Anrufern zu spüren. So sie nicht allzu schnell auflegen müssen, weil, wie man weiß, im Callcenter-Gewerbe kein Anruf länger als nötig dauern darf, richten sie häufig auch an mich ein paar freundliche Worte.
Bevor sie aber wirklich Schluss machen müssen, frage ich ganz schnell noch, von wo sie mich gerade anrufen. „Aus Gelsenkirchen,“ sagte neulich eine Agentin, und da ich zufällig ein paar Wochen zuvor in Gelsenkirchen aus dem Zug gestiegen war, kamen wir ins Gespräch. Ich lobte den auffallend sauberen Bahnhof, die Grünanlagen im Innenstadtbereich, während sie schwer von den Socken war: „Mit dem Rad von Gelsenkirchen nach Duisburg? Das würde ich nie schaffen.“
Ein anderer rief mich aus Marl an. Von einem Besuch dort riet er mir aber ab: „Zu viele Drogis!“ Ich sagte, die gäbe es doch überall, und fragte ihn, ob er gern im Callcenter arbeite. „Nein, ist nur vorübergehend, weil ich meine Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker abgebrochen habe. Mein Traum ist, Polizist zu werden.“ So plauderten wir noch eine Weile sehr nett.
Und sonst so? Als mir nach dem tollen Erdbeermond neulich nach einem großen Erdbeereis war, radelte ich zur Harburger Eismanufaktur „Eisbrecher“; die sich längst in „Eismanufraktur“ hätte umbenennen müssen. Aber wem sag ich das? Ganz bestimmt nicht der plietschen Eisverkäuferin, die das vermutlich dauernd hört. Ich entschied mich dann doch für eine Kugel Salty Caramel.
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