Friedensforschung an Berliner Unis: "Unkritischer Umgang" mit Regierungsgeld
Die Kritik an Forschung im Dienst des Militärs wird lauter. Die Universitäten untersuchen nicht nur das Aufstandspotential Afghanistans, sondern auch Neuköllns.
Die Kriegsforschung der Universitäten gerät unter Beschuss. "Es gibt einen erschreckend unkritischen Umgang mit Geldern des Verteidigungsministeriums", findet Anja Schillhaneck, wissenschaftspolitische Sprecherin der Grünen im Abgeordnetenhaus. Peter Grottian, emeritierter langjähriger Professor für Politikwissenschaften am Otto-Suhr-Institut der Freien Universität Berlin, kritisiert: "Das Otto-Suhr-Institut war ja früher eher für Frieden zuständig, hat sich als kritische Instanz gesehen. Das hat sich erheblich geändert, der Kontakt zur Friedensbewegung ist beinahe ganz abgebrochen."
Die Friedens- und Konfliktforscherin Mechthild Exo sieht eine insgesamt bedenkliche Entwicklung: "Während die Militarisierung an den Universitäten vorangetrieben wird, blutet die klassische Friedensforschung aus", sagte sie am Samstag in der Humboldt-Universität auf einem Kongress zum Afghanistankonflikt.
An der FU wird etwa im "Sonderforschungsbereich 700" dazu geforscht, wie sich Kontrolle und Sicherheit in instabilen Gebieten durchsetzen lassen. Die Sozialforscher Christoph Zürcher und Jan Koehler waren in Afghanistan und haben dort unter anderem Dörfer mit besonders hohem Widerstandspotenzial gesucht. Aber der Forschungsbereich beschäftigt sich zudem mit Teilen Deutschlands.
"Auch entwickelte Rechts- und Wohlfahrtsstaaten enthalten ,Räume begrenzter Staatlichkeit', in denen die Durchsetzungsfähigkeit politischer Entscheidung nur begrenzt vorhanden ist", heißt es in einem Papier. Man müsse nur "an die ,Berlin-Neukölln'-Problematik denken", heißt es weiter. "Da geht es nur um Regierbarkeit und die Durchsetzung von Regeln, überhaupt nicht um die Lage der Menschen", kritisiert Exo.
"Ist doch klar, was da los ist", vermutet die Studentin Sarah Walz, die den Kongress an der Humboldt-Universität mitorganisiert hat: "Die bereiten sich darauf vor, auch in Deutschland Aufstände niederzuschlagen." Sie befürchtet, dass hier das Feld bereitet wird, damit die Bundeswehr künftig etwa gegen protestierende Studierende eingesetzt wird.
Die Technische Universität Berlin streicht bereits seit mindestens zehn Jahren Forschungsgelder vom Bundesverteidigungsministerium ein. Damit werden unter anderem unbemannte Flugkörper entwickelt. Eigentlich sollte die Hochschulsatzung so etwas verhindern: Sie sieht eine Friedensklausel vor, nachdem die Universität im Zweiten Weltkrieg massiv an der militärischen Forschung beteiligt war. Diese Klausel ist rechtlich allerdings nicht bindend. "Die Technische Universität wird der Verpflichtung aus ihrer Vergangenheit nicht gerecht", kritisiert die Grünen-Abgeordnete Schillhaneck.
Das Problem: Häufig ist es Auslegungssache, ob es sich um Militärforschung handelt. Schließlich könnte man solche Drohnen auch zu zivilen Zwecken verwenden. "Die Drohnen werden vom Militär bezahlt und sind für kriegerische Aufklärung einsetzbar", sagt Mechthild Exo, "das kann man doch nicht umdeklarieren". Die zunehmende Vermischung von militärischer und ziviler Forschung sei allerdings typisch für die derzeitige Entwicklung.
An der Universität Potsdam gibt es den Studiengang Military Studies, in dem Sozialforscher ausgebildet werden, um die Kriegsführung zu effektivieren. Mechthild Exo sieht hier eine Trendwende in der Friedens- und Konfliktforschung: "Früher wurde mit der Friedensbewegung ins Feld gezogen, heute wird die Militärindustrie bedient."
Kein Wunder, seien doch die Hochschulen immer abhängiger von Drittmitteln, so Exo. Und den Auftraggebern ginge es nicht immer nur um Erkenntnisgewinn. Durch loyale Forscher und durch PR-Maßnahmen der Bundeswehr "soll die Akzeptanz des Militärischen erhöht werden", befürchtet die Forscherin. Dazu bediene sich die Bundeswehr vor allem auch der Jugendoffiziere, die in Schulklassen und Universitätsseminaren für die Bundeswehr werben.
Hajo Funke, Professor am Otto-Suhr-Institut, hat eine ganz grundsätzliche Kritik an der Verteilung der Gelder durch Sonderforschungsbereiche: "Durch die massive Förderung von Sonderprojekten wird der Lehre von Grundlagen der Boden entzogen."
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