: Freundlicher Barde
Der nicht nur optisch brave John Mayer will im Schlachthof einmal mehr beweisen, dass millionenschweres Songwriting nicht melancholisch oder exzessiv sein muss
„Es gibt momentan drei neue Künstler, die wirklich großartige Lieder schreiben“, erklärte Elton John kürzlich in einem gemeinsamen Interview seinem Piano-Kollegen Billy Joel: „Das sind Ryan Adams, Pete Yorn und John Mayer.“
Keine Einzelmeinung leistet sich dort der britische Brillenliebhaber und Vorzeige-Exzentriker, denn besagter John Mayer, ein optisch braver 25-Jähriger, erregt viel Aufsehen mit seinen Gitarren-Popsongs. Man traut ihm viel zu, ohne so recht zu wissen, was, und so belegte ihn die US-amerikanische Presse im vergangenen Jahr mit allerlei „Da ist was im Busche“-Titeln: Zu den Top 25 Stars Under 25“ zählt ihn eine große Radiostation, als „You Oughta Know“ ordnet ihn der TV-Sender VH-1 ein. Zum „Artist To Watch“ erklärte ihn der Rolling Stone Anfang letzten Jahres, an dessen Ende war Mayer bereits aufgestiegen in die Liste der „People Of The Year“ des Musikmagazins.
Europa ignorierte dieses aufgeregte und schwer erfolgreiche Jahr 2002 des John Clayton Mayer, britische Magazine verleugnen seine Existenz bis heute. Auf den ersten Blick scheint alles klar: Die Optik eines Boyband-Klons mit Baby-Popo-Grinsen, der wahrscheinlich auf Solopfaden stolpert. Doch irgendwie bleibt man dann hängen an seinem kleinen Singalong „Your Body Is A Wonderland“, einer süßen kleinen Hymne an ein brünettes Mädchen.
Sein Album Room For Squares (nach Hank Mobleys No Room For Squares, 1963) löst dann locker das geweckte Versprechen ein, ruft nach Vergleichen mit Neil Finn oder dem hervorragenden Dave Matthews. Ähnlich ist Mayers Melange aus klassischer Bluesgitarre mit viel Pop-Appeal und einer leicht verrauchten Stimme. Auch der regelmäßige Vergleich mit Jeff Buckley ist nicht falsch, selbst wenn Mayer dessen Hang zur Schwermut nicht teilt. Ganz im Gegenteil, glücklich und sonnenbeschienen sind Mayers Lieder, handeln vom Jungsein und Unzählige-Möglichkeiten-vor-sich-Haben. Pointierte Beobachtungen eines Nicht-mehr-Teenies, der vergnügt seine Welt beobachtet.
Immerhin eine Million Exemplare hat er von seinem Major-Debüt verkauft. Amerika brauchte seinen Superstar also nicht zu suchen. Doch steht er ziemlich ratlos vor seinem Erfolg, sagt zumindest John Mayer selbst, der Schulpatzer, der nach einem Jahr am renommierten Berkelee College Of Music aufgab. Der dann meist alleine in Clubs auftrat, weil er es zu lästig fand, sich mit einer Band arrangieren zu müssen. „So kann ich eine Woche im Bett liegen bleiben, ohne mich bei irgendwem zu entschuldigen.“ Und der gleichwohl gerne als freundlich und höflich beschrieben wird. „I like being a nice guy“, entschuldigt er sich der tätowierte Nordstaatler dann. Und kann sich zurücklehnen: Seine Liste mit Lobestiteln verlängerte sich unlängst, kaum überraschend, um eine Grammy-Nominierung. Eine Auszeichnung als „Best New Artist“ steht im Raum und eine in der Sparte „Best Male Pop“. Ein Konkurrent dabei ist übrigens Elton John. Volker Peschel
mit Wheat: Sonnabend, 21 Uhr, Schlachthof