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Freizügigkeit für ArbeitnehmerBuckeln für Deutschland? Nein danke!

In Deutschland zu arbeiten ist für gut qualifizierte polnische Facharbeiter nicht mehr so verlockend. Viele haben sich in Polen eine Existenz aufgebaut.

Die Spargelstecher kommen noch aus Polen, die Fachkräfte eher nicht. Bild: dapd

WARSCHAU taz | "Arbeiten in Deutschland? Heute?", lacht die Polin Barbara Wojdyga und schüttelt den Kopf. Die 52-Jährige verkauft edle Stoffe in einem Luxusladen auf Warschaus berühmter Flaniermeile Nowy Swiat, zu Deutsch "Neue Welt". "Vor sieben Jahren, als Polen der EU beitrat, da wäre ich gerne gefahren. Ich hätte auch eine niedrig bezahlte Arbeit in Kauf genommen. Damals wollte ich den Westen kennen lernen, dort ein bisschen arbeiten und reisen."

Sie legt mehrere Seidenbahnen auf die Theke. "Aber unsere Nachbarn hielten die Rote Karte hoch. Da habe ich mir in Warschau eine neue Arbeit gesucht. In den Urlaub fahre ich in diesem Sommer nach Zypern."

Ab dem 1. Mai können Bürger aus den acht osteuropäischen Ländern, die 2004 der EU beigetreten sind, auch in Deutschland und Österreich legal arbeiten. Eine spezielle Arbeitserlaubnis, die bisher nötig war, brauchen sie nicht mehr. Der Grund: 2004 hatten mehrere Altmitglieder der EU ihre Ampeln auf Rot gestellt, da sie glaubten, ihre Arbeitnehmer vor einem Ansturm aus dem Osten schützen zu müssen.

Nach und nach öffneten sie aber ihre Arbeitsmärkte. Großbritannien, Irland und Schweden profitierten in ungeahntem Maße von den Arbeitsmigranten. Auch Norwegen, das kein EU-Mitglied ist, warb bereits 2004 in Polen und Litauen intensiv um Ingenieure, qualifizierte Handwerker und Bauarbeiter.

Seit einiger Zeit suchen nun auch private Arbeitsagenturen und Headhunter aus Deutschland und Österreich den polnischen Arbeitsmarkt nach Fachkräften ab. Doch das Interesse hält sich in Grenzen. Löhne und Gehälter in den beiden Ländern sind längst nicht mehr so attraktiv wie vor sieben Jahren, als die Arbeitslosenrate in Polen bei knapp 20 Prozent und das Durchschnittseinkommen unter 1.000 Euro lag.

Beibehaltung des Status quo

Zudem arbeiten - trotz der bisherigen Beschränkungen - bereits heute rund 400.000 Polen legal in Deutschland. Insgesamt sind es knapp 600.000 Arbeitnehmer aus den osteuropäischen EU-Mitgliedsländern. Nach Österreich zieht es jährlich knapp 10.000 Arbeitnehmer aus Osteuropa, vor allem aus Ungarn und Tschechien.

Ein Großteil sind Saisonkräfte, die zur Weinlese kommen und bei der Obst- und Spargelernte helfen. Aus Angst vor Dumpinglöhnen legten die Regierungen in Deutschland und Österreich Mindestlöhne zwischen 8 und 12 Euro fest - für Krankenschwestern und Pflegekräfte, für Bauarbeiter, Elektriker, Klempner, Dachdecker, Maler und Kfz-Mechaniker. Zuletzt wurde auch für Leiharbeiter ein einheitlicher Mindestlohn vereinbart. Er bindet auch polnische Firmen.

Pawel Kaczmarczyk vom Migrationsforschungszentrum der Universität Warschau sieht dem 1. Mai gelassen entgegen: "Ich rechne nicht mit einem Massenansturm polnischer Arbeitskräfte auf Deutschland und Österreich", sagte er am Dienstag auf einer Fachkonferenz in Warschau. Das wahrscheinlichste Szenario sei die Beibehaltung des Status quo.

Tatsächlich kommen seit Jahren auch viele polnische Arbeitsmigranten zurück. Klaus Zimmermann, Direktor des Bonner Instituts zur Zukunft der Arbeit, bestätigte die Expertise seines polnischen Kollegen: "Die Auswirkungen des 1. Mai auf die Arbeitsmärkte werden eher moderat bleiben", betonte er in Warschau. Allerdings rechnet er mit immerhin 100.000 bis maximal 150.000 Arbeitsmigranten aus den osteuropäischen Mitgliedsstaaten.

4,2 Milliarden Euro

Julian Korman wiederum, der Chef der polnischen Dienstleistungsbetriebe in Deutschland, hält es für wahrscheinlich, dass nach dem 1. Mai vor allem Arbeitnehmer, die bisher illegal gearbeitet hätten, ihren Status legalisieren würden. Für Zahlen von mehreren Millionen Immigranten in diesem Jahrzehnt gibt es nach Einschätzung der Experten keine stichhaltigen Anhaltspunkte.

Polens Regierung beteuert zwar gern, dass kein Pole und keine Polin im Ausland Arbeit suchen müsse, ist aber im Grunde wohl ganz froh über die große Mobilität ihrer Bürger. Denn die Universitäten und Fachhochschulen bilden viel zu viele Fachkräfte aus. Der heimische Markt ist nicht in der Lange, all die hochqualifizierten Absolventen aufzunehmen. Zudem konkurrieren Ukrainer, Weißrussen und Vietnamesen mit den Polen um Arbeitsplätze auf dem Bau und im Kleinhandel.

Die Arbeitsmigranten entlasten so nicht nur den heimischen Markt, sondern schicken auch regelmäßig Geld nach Polen zu ihren Familien. Allein im letzten Jahr waren es 4,2 Milliarden Euro, die polnische Arbeiter aus aller Welt nach Hause überwiesen. Polens Notenbank geht davon aus, dass diese Summe 2011 sogar noch übertroffen werden kann - dank der Öffnung des Arbeitsmarktes in Deutschland und Österreich am 1. Mai.

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5 Kommentare

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  • V
    Vorstellungsgespräch

    Buckeln für Deutschland?

     

    Ja, aber nur schwarz bei gleichzeitigem Hartz IV Bezug.

     

    Das ist die Wahrheit. Fragt die Kleinunternehmer, die können es euch sagen.

     

    Ich habe selber Schwarzarbeitsanfragen ohne Ende.

     

    Bin gespannt, ob die taz das durchgehen lässt.

     

    Hört nicht auf die Presse, hört euch um an der Basis!!

  • M
    Mika

    Ist es rassistisch, zu fragen, woher in anderen Ländern der steigende Wohlstand kommt, während in Deutschland immer mehr Menschen verarmen?

  • M
    Mama

    Dt. Bauern halten sich doch ihre Arbeitskräfte als billigste Knechte - so einige aus Osteuropa gehen daher lieber woanders hin, gerade auch Saisonkräfte, die gesuchten Spargelstecher etwa, die sich das für die gezahlten Löne nicht mehr bieten lassen. Lange war es Irland, Großbritannien, Irland ist nicht mehr, aber daraus abzuleiten, Deutschland wäre für die Leute das Paradies und würde überrannt, ich hab da meine Zweifel.

  • BG
    Bernd Goldammer

    Mindestlohn steht Europäern zu, Deutschen allerdings nicht. Politiker, nicht irgendwelche Besatzer, haben uns die Freiheit, in Arbeit gepresst zu werden die nicht einmal den Lebenserhalt sichert, gepresst. Was für eine grandiose Menschenwürde! 21 Jahre nach dem Mauerfall ist Deutschland für die Hälfte seiner Einwohner zum Sklavenhalterland geworden. Deutsche Arbeitssuchende dürfen auch nicht selbst entscheiden, für Wen und zu welchem Preis sie arbeiten wollen. Dieses grundlegende zivilisatorische Menschenrecht wurde uns klammheimlich genommen. Und Deutsche Politiker feiern das mit tiefer Inbrunst. Wer nicht zum Hungerlohn arbeiten will, ist eben ein Faulpelz und muss mit Obdachlosigkeit und Nahrungsentzug bestraft werden. Dahinter steht die Medienstrategie moderner Sklavenhalter. Zu Zeiten der Römer mussten Sklaven noch von ihren Besitzern ernährt und erhalten werden. Bei Ableben wären alle Invest- Zisterzen wertlos geworden. Heut ruft man einfach bei der „Arge“ an und lässt sich einen Neuen kommen. Na wenigstens die Staatsbürgerkundelehrer der DDR haben deutlich fühlbar Recht behalten. „Die Römer spinnen“, behautet Obelix. Der kannte die Politiker der deutschen Harz IV- Parteien nicht. Soll fehlender Mindestlohn wirklich nur dazu dienen Fremdenhass weiter gesellschaftsfähig zu machen? Bitte keine Gebetsmühlen anschmeißen. Ich weiß, die Arbeitlosenzahlen im Niedriglohnbereich sind weiter gesunken. Argumente verraten nicht nur, wessen Geistes Kind ein Politiker ist; sie sagen auch wofür diese bestochenen Schma....er ihre Wähler halten.

  • H
    heinzl

    Im Osten nichts Neues? Selbstverständlich gehen die gut ausgebildeten und multilingualen Fachkräfte dorthin wo das Geld lockt. Das gilt aber nicht nur für Polen sondern auch für Deutschland.

    Allerdings wird der Verdrängungskampf im Niedriglohnsektor für Deutsche wahrscheinlich zunehmen. Produktionshelfer, Angelernte, Wachleute, Reinigungskräfte und Arbeiter in der Landwirtschaft werden sich der Konkurrenz stellen müssen - mit der Folge dass dort die Löhne weiter sinken werden.

    Danke EU!