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Freispruch im Blockade–Prozeß

■ Erstes Berufungsurteil der Ramsteiner Blockade–Prozesse hebt Geldstrafe auf / Raketenstationierung sei 1983 eine „existentielle“ Frage gewesen / Vergleich zu Lastwagen–Blockade an den Grenzen gezogen

Zweibrücken (dpa) - Mit einem Freispruch endete am Freitag vor dem Landgericht Zweibrücken das erste Berufungsverfahren gegen eine 24jährige Rüstungsgegnerin in den sogenannten Ramsteiner Blockade–Prozessen. Die 24jährige hatte im Oktober 1983 zusammen mit mehreren hundert anderen Demonstranten mit einer Sitzblockade vor einem Tor des US–Luftwaffenstützpunkts Ramstein bei Kaiserslautern gegen die Aufstellung von US–Mittelstreckenraketen in der BRD protestiert und war in der Folge wegen Nötigung angeklagt worden. Im Gegensatz zum Amtsgericht Landstuhl (Kreis Kaiserslautern), das die 24jährige 1984 zu einer Geldstrafe verurteilt hatte, sah die Jugendkammer des Landgerichts das Verhalten der Angeklagten als nicht strafwürdig an. In Anlehnung an die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichs vom November vergangenen Jahres ließ die Kammer in ihrer Urteilsbegründung offen, ob eine Sitzblockade in jedem Fall Gewalt sei. Aber auch wenn eine Sitzblockade als Gewalt definiert werde, sei - so das Gericht - das Verhalten der Angeklagten damals nicht rechtswidrig gewesen. Der Tatbestand der Nötigung erfordere immer ein über die unterste Grenze der Gewalt hinausgehendes „verwerfliches“ Verhalten, was bei der 24jährigen aus mehreren Gründen verneint werden müsse. Einmal sei die Blockade nur kurzfristig gewesen und entsprechend der Ankündigung gewalt frei, ohne Körperverletzung oder Sachbeschädigung abgelaufen. Zum zweiten müsse bei der Frage der Verwerflichkeit das Ziel der Blockade mitberücksichtigt werden. Die Raketenstationierung sei damals eine Frage gewesen, die die Gesellschaft „existentiell“ berührt habe. Manche Blockaden von Lastwagenfahrern an den Grenzen hätten zu stärkeren Behinderungen als die damaligen Sitzblockaden geführt, ohne daß die Staatsanwaltschaft strafrechtliche Schritte eingeleitet habe, erklärte das Gericht.

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