■ Freispruch für PDS-Millionenschieber: Mehr Normalität
Fünf Jahre dauerte der Streit um die früheren SED- Milliarden, jetzt ist er zu Ende gegangen. Gestern sprach das Berliner Landgericht drei ehemalige PDS- Funktionäre und einen ihrer Helfer vom Vorwurf frei, Parteivermögen veruntreut zu haben. Vier Tage zuvor hatten sich die SED-Rechtsnachfolgerin PDS und die Unabhängige Kommission zur Überprüfung der DDR-Parteivermögen auf einen Vergleich geeinigt. In beiden Fällen hat sich letztlich die Vernunft durchgesetzt. Der PDS, in der weniger als fünf Prozent der SED-Mitglieder organisiert sind, verbleiben von dem ursprünglich auf mehr als 1,8 Milliarden Mark geschätzten SED-Altvermögen im wesentlichen vier Immobilien mit einem Wert von rund 30 Millionen Mark. Es ist ein Vergleich, mit dem die Partei leben kann. Das hat sie selbst erklärt.
Mit der gestrigen Gerichtsentscheidung wird auch die juristische Verfolgung der früheren Finanzverantwortlichen in der PDS zu den Akten gelegt. Sie kamen mit einem blauen Auge davon. An der Strafbarkeit des Beiseiteschaffens von Vermögenswerten ließen die Richter keinen Zweifel – gleichwohl wollten und konnten sie den Vorwurf der Untreue, wie vorher auch die Staatsanwaltschaft, nicht aufrechterhalten. Schließlich kann einer keine Untreue gegenüber seiner Partei begehen, wenn er in ihrem Auftrag handelt. Und nichts anderes taten die Angeklagten, als sie unmittelbar nach der Wende die vom Parteivorstand entworfene Strategie „Vermögen sichern“ – aus Angst vor einer Enteignung – in die Tat umsetzten. Das alte Vermögen der SED zu sichern, das war neben durchaus ernstgemeinten Absichten, die politischen und moralischen Erblasten der SED auf sich zu nehmen, auch einer der wesentlichen Gründe, die Rechtsnachfolge der diskreditierten Honecker-Partei anzutreten. Die Strategie ging nicht auf, sie scheiterte am Volkskammerbeschluß zur treuhänderischen Verwaltung der DDR-Parteivermögen. Und so manches PDS-Mitglied fragt sich, ob die postsozialistische Partei heute nicht viel besser dastünde, wenn sie sich 1989 von der SED, ihrem Vermögen und ihren Altfunktionären konsequent getrennt hätte.
Mit dem Ende der Rechtsstreitigkeiten um das Altvermögen zieht ein Stück Normalität mehr in die PDS ein. Der Knüppel „Vermögensschwindel“, nicht selten medienträchtig gegen die PDS geschwungen, dürfte Gysis zerstrittenem Haufen künftig erspart bleiben. Erspart bleibt uns die Mär von der politischen Verfolgung der PDS, deren Existenz durch eine Enteignung vernichtet werden soll. Wolfgang Gast
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