Freifunker für Gratisinternet: Unsichtbare Maschen über der Stadt
Die Initiative Freifunk will ganz Berlin mit öffentlichem Gratisinternet versorgen. Ihre Mitglieder schrauben WLAN-Router auf Dächer und Kirchturmspitzen.
Beim Sonnen im Park online Nachrichten lesen, in der Mittagspause am Spreeufer im Netz surfen, beim Warten auf den Bus kurz was bei Wikipedia nachschlagen - jederzeit kostenlos, ohne Anmeldung und Beschränkungen durch einen bestimmten Anbieter. Grenzenloses städtisches WLAN stand sogar schon auf der Tagesordnung des Senats. Eine Initiative will es jetzt in die Tat umsetzen.
In der Raumstation c-base wird an der Utopie gebastelt. Der Verein ist Teil der Genossenschaft Jugendmedienhaus Rungestraße 20 in Mitte. Im zweiten Hinterhof führt eine mit Stickern überwachsene Tür in die Tiefen des galaktischen Hackerspace. Bildschirminstallationen und ein grün beleuchtetes Alien heißen den Besucher willkommen, in der spärlich erhellten Haupthalle sitzen in futuristischem Interieur dunkle Gestalten vor ihren Bildschirmen. Hier trifft sich die Initiative Freifunk Berlin, um die Idee des urbanen WLAN voranzutreiben. Nach eigenen Angaben hat die Initiative, die sich als Teil einer globalen Bewegung für freie Internetinfrastrukturen versteht, rund 2.000 Nutzer.
Das Prinzip: Überall in der Stadt werden Router, also drahtlose Netzwerkgeräte, installiert, die sich miteinander verknüpfen. Über die Verknüpfungspunkte, die sogenannten Nodes, kann man sich unverschlüsselt ins Netz begeben. Über 600 solcher Nodes soll es in Berlin bereits geben. Zur Verfügung gestellt werden die Router und der Internetzugang nicht von einem zentralen Anbieter, sondern von BürgerInnen, die das so entstehende Netzwerk betreiben und warten.
Alexander Morlang, frisch gewählter Abgeordneter der Piratenpartei, ist Freifunker der ersten Stunde. Er erklärt Neueinsteigern jeden ersten Mittwoch im Monat, wie das Projekt funktioniert. Dass ein einzelner Onliner ohnehin nie die potenzielle Bandbreite seines Internetzugangs beansprucht. Dass er, wenn er am Freifunk teilnehmen will, eine spezielle Software für seinen Router benötigt. Und dass Interessierte einen mit dieser Software bespielten Router gegen 50 Euro Pfand von Freifunk leihen können.
Kommt nun ein neuer Router ins Freifunkernetz, wird sein Internetausgang den anderen Routern im Netzwerk angezeigt und integriert. So entsteht die Mesh, das Maschennetz aller verbundenen Freifunkrouter. Damit dieses offene Überallnetz genauso schnell ist wie in den eigenen vier Wänden, platzieren engagierte Freifunker ihre wasserdichten Router und WLAN-Antennen dort, wo der Empfang am besten ist - auf Dächern und Türmen.
Die Gemeinde der Kreuzberger Emmauskirche etwa hat der Montage an der Kirchturmspitze zugestimmt. Als Nächstes wollen die Freifunker sich die Samariterkirche in Friedrichshain vornehmen. Auch die Beuth Hochschule für Technik in Wedding beheimatet auf ihrem Dach einen solchen Router- und Antennenknoten.
Wer neu zu den Freifunkern stößt, schließt sich einer Bezirksgruppe an. "Bei unseren Treffen macht sich oft Stammtischatmosphäre breit. Wir sind ja bei den Wartungsarbeiten immer über Messenger in Kontakt", erzählt ein im Netz als "Keks" bekannter Freifunker von der Gruppe Pberg. Ein anderer, Niklas, ist gerade erst nach Berlin gezogen. In der c-base hat er nach kurzer Zeit schon zwei Kontaktpersonen gefunden um die neue Freifunkgruppe Wedding zu gründen.
"Du könntest versuchen, die Wechselrichter per dLAN einzubinden." - "Sollen die dann den FTP-Server ansprechen?" Niklas hat kein Problem, sich bei den Freifunkern zurechtzufinden: Er spricht ihre Sprache. Anderen dürfte eine Beteiligung schwerer fallen. Schließlich weiß nicht jeder Internetnutzer automatisch etwas mit Begriffen wie Speedport oder integrierter Datenlogger anzufangen.
Es gibt aber auch noch andere Berührungsängste. Viele Interessierte fragen sich etwa, ob der Internetzugang per Freifunk überhaupt sicher ist. "Wer über unser offenes Netzwerk aus Sicherheitsgründen kein Onlinebanking betreiben würde, der sollte das besser auch sonst nicht machen", kommentiert Alexander Morlang solche Bedenken. Der Freifunk sei gegenüber den Providern genauso verschlüsselt wie jedes andere Netzwerk. Wer seinen Datenverkehr noch darüber hinaus absichern wolle, müsse eine zusätzliche Verschlüsselung einrichten.
Kostenlos hat seinen Preis
Ein Risiko tragen die Betreiber der Router: Laden Gastsurfer etwa illegal Filme herunter, wird der WLAN-Anbieter verantwortlich gemacht. "Am besten nimmt man sich dann einen Anwalt", empfiehlt Morlang. Überall kostenlos online sein zu können hat seinen Preis.
Dass der hoch ist, weiß auch der Senat. Noch 2009 hatte Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linke) in Aussicht gestellt, die Realisierung eines flächendeckenden Funkinternetnetzes in der Innenstadt auszuschreiben. 5.000 Sender sollten dafür an Ampeln und Straßenlaternen angebracht werden. Anfang 2010 hieß es dann in einer Senatsvorlage der Wirtschaftsverwaltung, das Projekt werde nicht weiterverfolgt. Die technische Herausforderung sei zu groß.
"Der Senat hat wenig Knowhow und wenig Interesse am Thema öffentliches WLAN gezeigt", sagt der Grünen-Abgeordnete Stefan Ziller, der sich auf dem Gebiet der Netzpolitik engagiert. Dabei wollte sogar der Europäische Fonds für regionale Entwicklung (Efre) das Pilotprojekt Wireless Open Public Local Access Network Berlin fördern. Die Freifunker legten ihrerseits der Landesregierung ein Konzept zur technischen Realisierbarkeit des Projekts vor. "Der Senat hat dann einfach nichts gemacht", sagt Ziller. Die Umsetzung des öffentlichen WLAN stehe jedoch nach wie vor auf der Tagesordnung.
Das glaubt auch Pirat Alexander Morlang, der auf eine Zusammenarbeit der Freifunker mit dem kommenden Senat hofft. Als neu gewählter Parlamentarier will er sich bei den Abgeordneten der anderen Fraktionen für die Unterstützung des Freifunkprojekts starkmachen. Technische Herausforderungen, sagt er, würden die Freifunker jedenfalls nicht scheuen.
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