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„Freie Fraktion“ in Sachsen-Anhalt

Fünf Abgeordnete im Landtag bilden „Freie Fraktion“ und bringen Landesvater Münch ins Schwitzen  ■ Von Eberhard Löblich

Magdeburg (taz) — Fünf Abgeordnete im Landtag von Sachsen-Anhalt haben sich zur Freien Fraktion zusammengetan. Die Fraktionsbildung teilten sie Landtagspräsident Klaus Keitel gestern zu Beginn der Plenarsitzung mit. Neben den beiden parteilosen Mitgliedern Joachim Auer, der vor zwei Wochen noch CDU- Fraktionschef war, und dem SPD- Dissidenten Jürgen Angelbeck gehören auch die CDU-Mitglieder Karsten Knolle, Bernd Scheffler und Gerd Mitschke der neuen Fraktion an. Weiterhin am Katzentisch der Fraktionslosen sitzen der wegen seiner Stasi-Vergangenheit aus der FDP ausgeschlossene ehemalige stellvertretende Regierungschef Gerd Brunner und der kürzlich aus der CDU-Fraktion ausgetretene Abgeordnete Manfred Thon.

Rein rechnerisch hat die Regierung von Ministerpräsident Werner Münch (CDU) noch immer eine Mehrheit. Den 56 Abgeordneten der Regierungsfraktion CDU und FDP sitzen jetzt 50 oppositionelle Abgeordnete gegenüber. Dennoch wird es eng für den Westimport aus Niedersachsen. Denn in den beiden Regierungsfraktionen sitzen durchaus noch unzufriedene Abgeordnete, die als potentielle Kandidaten für die neue Gruppierung in Frage kommen. Für Münch dürfte es auch nicht gerade zur politischen Zufriedenheit beitragen, daß sich seine Regierung jetzt auch auf Abgeordnete mit recht dubioser Vergangenheit stützen muß. Bislang waren die Mehrheitsverhältnisse so stabil, daß Münch über diese Tatsache großzügig hinwegsehen konnte.

Die CDU hatte noch in letzter Minute mit einer Lex Auer zu verhindern versucht, daß ihr zurückgetretener Fraktionschef eine neue Fraktion gründet und unzufriedene Unions- Abgeordnete an sich bindet. Mit einer Änderung der Geschäftsordnung sollte der Landtag beschließen, daß nach Beginn der Legislaturperiode die Bildung einer neuen Fraktion nur mit Zustimmung der Landtagsmehrheit möglich ist. Wegen verfassungsrechtlicher Bedenken kippte der Ältestenrat diesen Geschäftsordnungsantrag von der Tagesordnung.

Dennoch sei ihm „diese Fraktionsbildung nicht sonderlich sympathisch“, kommentierte der SPD- Fraktionschef Höppner die neue Gruppierung. Andere Sozis sind deutlicher. „Eine Kabarettfraktion“, unkt Fraktionssprecher Kriesch. Die SPD glaubt nicht, daß sie Abgeordnete an die neue Fraktion verliert. „Ich kann dafür derzeit keinen Kandidaten entdecken“, meint Höppner. „Ohne die Überhangmandate der CDU oder mit entsprechenden Ausgleichsmandaten für die SPD hätte die Landesregierung rein rechnerisch jetzt die parlamentarische Mehrheit verloren.“

Die neue Fraktion hat noch kein politisches Profil gezeigt. Derzeit sind die Herren noch mit Interviews am laufenden Band beschäftigt. Aber eines steht für sie fest: „Fraktionszwang gibt es bei uns nicht“, sagt der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Jürgen Angelbeck. „Das haben wir uns in die Hand versprochen.“ In einer Pressemitteilung kündigte die neue Fraktion zwar noch gestern morgen die Unterstützung der Regierung Münch an, bei den Abstimmungen zeigte sich aber, daß sich Münch darauf nicht unbedingt verlassen sollte. Für den Regierungschef haben die CDU-Mitglieder Knolle, Mitschke und Scheffler sich mit ihrem Beitritt zur neuen Fraktion quasi schon selbst aus der Partei ausgeschlossen.

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